III. Rumänische Sagen von Insekten.

[192] 1. Pentatoma baccarum L. (»Qualster«, Baumwanze).


Der hl. Petrus kam einst zu einem andern Apostel, der einen Korb mit herrlichen Birnen erhalten hatte. Müde und hungrig vom weiten Weg suchte sich Petrus die schönsten Früchte aus; aber wie er sie zum Munde brachte, verwandelten sie sich in Käfer. Erzürnt nahm P. den ganzen Korb, warf ihn auf den Weg, und daraus entstanden die P.b. [die gern an Obst und Beeren saugen].


  • Literatur: Marianu, Insectele S. 422.

2. Die Mücke.


Petrus und der hl. Dumitru saßen unter einem Baume. Da kam die Mücke zu Petrus und sang ihm vor, weil gerade sein Namenstag war. Da bat der hl. Dumitru die Mücke, auch ihm an seinem Tage zu singen. »O nein!« antwortete sie, »von deinem Namenstag ab werden meine Saiten weich.«


  • Literatur: Marianu, Insectele S. 316.

3. Hylobius abietis L. (der gemeine große Fichtenrüßler).


Die Pfeife des hl. Petrus war einmal verstopft; er wollte sie mit dem Pfeifenstock (= Putzer) reinigen, es gelang ihm aber nicht. Deshalb wurde er ärgerlich und sagte: »Nie will ich dich mehr wiedersehen (wörtlich: Dich will ich sehen, wenn ich mein Genick sehen werde, und auch dann noch nicht)!« Aus dem Pfeifenräumer wurde ein Käfer mit kleinem Kopf, langem Rüssel, spitz und gekrümmt wie ein Pfeifenräumer, der sich aus Furcht unter der Baumrinde versteckt.


  • Literatur: Marianu, Insectele S. 89.

4. Mantis religiosa L. (die sog. »Gottesanbeterin«, eine Fangheuschrecke; rum. călugărita = Nonne).


Da die ersten Christen unter Verfolgung durch die Heiden viel zu leiden hatten, beschlossen Petrus und die Ältesten der Gemeinde, die Frauen als Sendboten auszubilden und zu den Christen mit Aufträgen zu entsenden. Damit sie vor den Blicken der Heiden, die Gift für sie waren, geschützt wären, mußten sie sich verschleiern, auch durften sie unterwegs mit niemand sprechen.

Eine dieser Frauen, Călugărita mit Namen, wurde nun einst von einem sehr schönen Mann, dem Sohne des Satans, angesprochen. Sie vergaß sich, entschleierte ihr Gesicht und sprach mit ihm über die christliche Lehre. Sogleich machte sich der Jüngling unsichtbar, um sich zu entfernen. Petrus aber, dem ein Engel den Vorgang mitgeteilt hatte, eilte herbei, traf die Frau entschleiert auf der Wiese und verwandelte sie zur Strafe in einen Käfer, die călugărita; als die Frau ihn kommen sah, wollte sie schnell den Schleier über das Gesicht ziehen; aber schon[192] war sie zum Käfer geworden, und als solcher bringt sie noch heute immer ihre Füße vors Gesicht, als wollte sie es verdecken (Gebetsgeste, daher der lat. Name).


  • Literatur: Marianu, Insectele S. 497.

Varianten.


a) Die Christen wurden von den Tataren schrecklich verfolgt. Ihr größter Kummer aber war der, daß sie nicht genug Priester hatten. Deshalb erwählten sie Jungfrauen, die Tag und Nacht zu Gott beten sollten. Sie mußten unter anderem auch Ehelosigkeit geloben. Eine dieser Nonnen aber verliebte sich in einen jungen Tataren, der sie heiratete. Gott aber gefiel das nicht, und als sie Gattentreue an seinem Altare gelobte, verwandelte er sie in einen Käfer, den man noch heute călugărita (Nonne) nennt.


  • Literatur: Marianu, Insectele S. 500.

b) Ein Kaiser steckte seine Tochter, die keinen der zahlreichen Freier annehmen wollte, ins Kloster. Dort kam es schließlich heraus, daß sie den Teufel liebte. Deshalb legten ihr die andern Nonnen ein 99tägiges Fasten auf, bis nur noch ein Käfer übrigblieb, nämlich die Mantis religiosa.


  • Literatur: Marianu, Insectele S. 501.

c) Eine Tochter des Teufels war so schlecht, daß sie sogar für den Teufel zu verkommen war. Um sie zu bessern, ließ sie der Teufel Nonne werden. Das aber konnte Gott nicht dulden; er verwandelte diese Nonne in einen Käfer (der nach ihr Nonne heißt).


  • Literatur: Marianu, Insectele S. 502.
Quelle:
Dähnhardt, Oskar: Natursagen. Eine Samlung naturdeutender Sagen, Märchen, Fabeln und Legenden, 4 Bände, Leipzig/Berlin, 1907-1912, S. 192-193.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Wieland, Christoph Martin

Geschichte der Abderiten

Geschichte der Abderiten

Der satirische Roman von Christoph Martin Wieland erscheint 1774 in Fortsetzung in der Zeitschrift »Der Teutsche Merkur«. Wielands Spott zielt auf die kleinbürgerliche Einfalt seiner Zeit. Den Text habe er in einer Stunde des Unmuts geschrieben »wie ich von meinem Mansardenfenster herab die ganze Welt voll Koth und Unrath erblickte und mich an ihr zu rächen entschloß.«

270 Seiten, 9.60 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon