II. Vom Ursprung der bösen Weiber.

[191] Aus Dänemark.


Zur Zeit, da unser Herr und Sankt Petrus in der Welt wanderten, kehrten sie in einem Schmiedekrug ein, wo sie gut aufgenommen wurden. Und im Rausch verlobte Petrus einem Schmiedegesellen seine Tochter Petronella. Bald darauf kam ein andrer und bat auch um sie. Petrus hatte die erste Zusage vergessen und versprach sie ihm auch. Eine Stunde später oder zwei danach kam der dritte Schmiedegesell zu ihm und sagte: »Guter alter Vater, ich habe erfahren, daß Ihr eine schmucke Tochter habt; kann ich nicht mit Euch handelseins über sie werden?« Petrus sagte auch diesem Gesellen seine Tochter zu.

Aber als am andern Morgen Petrus erwachte und bedachte, daß er drei Töchter verlobt hatte und doch nur eine daheim hatte, verdrossen ihn seine Zusagen, und er bat den Herrn, ihm ein paar Töchter zu schaffen, damit er seinem Versprechen nachkommen könne und die Schmiedegesellen nicht ärgerlich würden und ihm seine Stirn zerschlügen. Darauf soll der Herr gesagt haben: »Petrus, du hast ja eine Tochter, die schöne und fromme Petronella; die beiden andern will ich dir verschaffen. Zu der ersten Kreatur, die dir morgen früh an der Tür begegnet, wenn du vom Bett aufstehst, sollst du sagen: ›Guten Morgen, meine Tochter!‹ Dann wird sie zu einem schmucken Mädchen werden. Und übermorgen ebenso.«

Was geschah? Am ersten Morgen traf er eine Sau. Petrus sagte: »Guten Morgen, meine Tochter!« Und alsbald ward sie ein schmuckes Mädchen. Am zweiten Morgen traf er an der Tür eine Gans. Petrus sagte: »Guten Morgen, meine Tochter!« Und flugs verwandelte sie sich und ward ein schönes Mädchen und sagte: »Keg, geg, lieber Vater, hier bin ich.« So hatte Petrus drei Töchter für seine drei Schwiegersöhne.

Bald darauf wurden die Hochzeiten festgesetzt, auf denen jeder seine Braut heimführte. Was geschah? Eine Woche später oder zwei rüstete Petrus ein Mahl und lud seine drei Schwiegersöhne dazu. Und als das Mahl vorüber war, fragte Petrus den ersten: »Lieber Sohn, wie gefallt dir meine Tochter, wie stellt sie sich an?« Er antwortete: »Väterchen, sie ist wohl hübsch, tüchtig und schön, aber sie ist sehr schweinisch und schmutzig.« »Ja«, sprach Petrus, »Söhnchen, du mußt mit ihr zufrieden sein; denn ihre Mutter war ebenso beschaffen.« – Damit redete Petrus den zweiten an: »Und wie gefällt dir meine Tochter?« Er antwortete: »Daß sie schmutzig ist, kann ich nicht behaupten, aber sie ist sehr einfältig und gänsedumm.« Petrus antwortete: »Ihre Mutter war ebenso, und ein Sprüchwort heißt: Die Tochter tanzt in der Mutter Hemde.« – Dann sprach er zum dritten: »Und wie gefallt dir meine Tochter?« Er antwortete: »Vater, ich habe ein ehrliches,[191] frommes, züchtiges, häusliches und gutes Weib, sie ist auswendig und inwendig fromm und wird kein Gebrechen oder Mangel an ihr erfunden.« Petrus antwortete: »Ja, sie schlägt nach ihrer Art; denn die Mutter war ebenso.«

Die Schwiegersöhne verwunderten sich über seine Worte und wollten wissen, wie das zusammenhinge, bis Petrus ihnen erzählen mußte, wie es sich mit diesen drei Töchtern verhielt. Von diesen drei Töchtern des heiligen Petrus haben, wie einige meinen, verschiedene Frauen in der Welt ihren Ursprung genommen.


  • Literatur: Ztschr. f. Volkskunde 11, 252. Ebd. entwickelt Joh. Bolte unter Beifügung der zugehörigen Varianten die Geschichte dieses Stoffes.
Quelle:
Dähnhardt, Oskar: Natursagen. Eine Samlung naturdeutender Sagen, Märchen, Fabeln und Legenden, 4 Bände, Leipzig/Berlin, 1907-1912, S. 191-192.
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