C. Der Faule, der mit dem Fuße den Weg weist.

[115] 14. Eine besondere Gruppe verbindet das Motiv der Erschaffung des Ungeziefers mit einem andern Märchen, in dem ebenfalls ein Fauler im Grase (oder am Wege, am Feldrande) liegt und Christus und Petrus vorüberkommen. Sie fragen ihn nach dem Wege; der Faule zeigt nur mit dem Fuße die Richtung an. Mit diesem ungenügenden Bescheide ziehen sie weiter und fragen ein Mädchen, das sie am Felde arbeiten sehen, nochmals nach dem Wege. Das Mädchen läuft gleich mit und zeigt ihnen den rechten Weg. Da sagt der Herr zu Petrus: »Du, Peter, die beiden werden wir verheiraten.« Peter erwidert: »Nicht doch! 's wär schad um das fleißige Mädel, wenn es den faulen Knecht bekäm'«. Jesus aber meint: »Gerade deswegen! Was würde der faule Knecht ohne ein fleißiges Weib anfangen? Er müßte ja verkommen.«


  • Literatur: Hauffen, Gottschee S. 109.
    Über die Verbreitung des Stoffs siehe Bolte in seiner Ausgabe von Val. Schumanns Nachtbüchlein S. 272 und in der zweiten Zugabe zu Freys Gartengesellschaft, betitelt: Nachträge zu V. Schumanns Nachtbüchlein S. 285. (Hinzuzufügen: Simrock, Legenden 46; Kristensen, Sagn 2, 257, Nr. 29; Jyske Folkeminder 8, 368, Nr. 655; La Tradition[115] 2, 52.) Am bekanntesten ist die poetische Bearbeitung durch Hans Sachs (Folioausgabe 1, 5, 493 a = 5, 114 ed. Keller = Schwänke ed. Goetze 1, 485 Nr. 170); über dessen Verhältnis zu Agricola, Sprichwörter Nr. 354 (Ausg. Wittenberg 1582, Bl. 199 b) siehe Stiefel, Über die Quellen ... S. 127.
    Aus dem Hurtschen handschriftlichen Nachlaß teile ich noch folgende estnische Variante mit: Jesus ging mit seinen Jüngern über Land. Am Wege lag ein müßiger Bursche ausgestreckt. Jesus fragte ihn nach dem rechten Wege. Der Bursche wies ihm mit dem Fuße die Richtung, ohne sich auch nur zu erheben. Als sie weiter gingen, machte Jesus seine Jünger auf ein Mädchen aufmerksam, das fleißig arbeitete, und sagte: »Dieses Mädchen hat kein Glück, wohl aber jener faule Bursche am Wege, und jener Bursche wird dieses Mädchen freien, und beide werden eine glückliche Ehe führen.«

Die Verschmelzung beider Stoffe geschieht in der Weise, daß der zweite Teil des zu verwendenden Märchens – die Befragung des Mädchens und Jesu Ausspruch – einfach weggelassen wird. Der Faulpelz wird mit Staub beworfen, aus dem zu seiner Plage das Ungeziefer entsteht.


15. Sage der Schweden in Estland.


Als Jesus auf Erden wandelte, traf er einen Mann am Wege liegend, den er nach der Richtung fragte. Statt aufzustehen, zeigte dieser nur mit dem Fuße die Himmelsgegend an. Der Herr warf eine Handvoll Sand auf ihn, und die Sandkörner verwandelten sich in Flöhe und Läuse zur Strafe für seine Faulheit. Seitdem leiden die Menschen von diesem Ungeziefer, vornehmlich die Faulen; auf die unschuldigen Tiere ist aber diese Strafe auch um unserer Schuld willen übergegangen.


  • Literatur: Rußwurm, Sagen aus Hapsal 186, Nr. 197.

16. Aus Österreichisch-Schlesien.


Als Christus der Herr noch auf Erden wandelte, von Sankt Petrus begleitet, kam er an einer großen Linde vorbei, in deren Schatten sich ein Mann behaglich ausgestreckt hatte. Als der Herr ihn so daliegen sah, fragte er ihn, welches der Weg in den nächsten Flecken sei. Der Mann aber war zu bequem, um aufzustehen und gehörig Bescheid zu geben. Er zeigte daher mit seinem Fuße nach der Richtung. Darüber ärgerte sich Sankt Petrus gar sehr und sprach zu Christus: »Herr, was tun wir dem Manne? Er ist zu bequem, uns ordentlich den Weg zu zeigen!« Der Herr antwortete: »Was willst du ihm tun? Nimm eine Handvoll Staub und wirf nach ihm!« Petrus tat, wie ihm der Herr geheißen, und es wurden Fliegen aus dem Staube, und sie stachen den Mann, so daß er, um die lästigen Gäste abzuwehren, nicht bloß Hände und Füße in Bewegung setzen, sondern schließlich das kühle, schattige Plätzchen verlassen mußte. Zur Belästigung der Müßiggänger ließ der Herr die Fliegen fortbestehen.


  • Literatur: A. Peter, Volkstümliches aus Österr.-Schlesien 2, 133 f.
Quelle:
Dähnhardt, Oskar: Natursagen. Eine Samlung naturdeutender Sagen, Märchen, Fabeln und Legenden, 4 Bände, Leipzig/Berlin, 1907-1912, S. 115-116.
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