E. Der faule Rinderhirt.

[117] Das Motiv der bestraften Faulheit findet sich auch in einer Geschichte von zwei Hirten, in welcher dem faulen Rinderhirten ein fleißiger Schäfer gegenübersteht. Dieser erfüllt – wie in der vorigen Gruppe das Mädchen – die Bitte des Heilandes.


18. Kleinrussische Sage.


Einst als Gott und der hl. Petrus auf Erden gingen, war es noch so, daß die Rinder sich zusammendrängten, die Schafe aber scheu wurden. Da kamen die beiden zu einem Viehtreiber, der saß und nähte sich Stiefel. »Hast du nichts zu essen, Mann?« fragten sie. – »Ich werde euch grade was geben! Geht eures Weges, ihr seht, daß ich keine Zeit habe.« Sie gingen heraus und kamen zu einem ganz armen Schafhirten mit einer ganz alten Fangleine. »Hast du nicht was zu essen?« fragten sie. »Ich habe dort etwas zu essen«, sagte er, »esset; ich würde selbst mit euch essen, aber ihr seht, ich habe keine Zeit.« Sie aßen und begannen sich zu beraten, was sie dem Hirten geben sollten. »Ach Herr,« sagte Petrus, »sei es so, daß in Zukunft die Rinder scheu werden, die Schafe aber sich zusammendrängen, damit der Hirt ausruhe« Und so ist es auch geworden.


  • Literatur: Manšura, Skazki 144.

19. Aus Ungarn.


Früher brauchten die Rinder die Fliegen nicht von ihrem Leibe abzuschütteln, der Hirte konnte auch rasten. Da kam Christus einmal vorbei und bat den Hirten um Milch, doch dieser war zu faul, aufzustehen. Weil nun der Hirte bösherzig war, müssen die Rinder, obwohl sie nichts verschuldet, die Fliegen von sich treiben.


  • Literatur: Ethnol. Mitt. a. Ungarn 2, 1890–92, S. 140 = Kálmány, Szeged népe 2, 140 = Strausz, Die Bulgaren S. 69.

20. Aus Rumänien.


Gott und Petrus hatten sich in einem Walde verirrt und fragten einen Rinderhirten, der auf einer Wiese schlief, nach dem Wege. Der Mensch aber gab eine freche Antwort. Dafür bestrafte ihn Gott und bestimmte, daß die Rinder, die bisher ruhig weideten, vom Bremsenstich beunruhigt fortlaufen sollten, so daß der Rinderhirt nicht mehr schlafen könnte. Dann gingen die beiden weiter und kamen zu einem Schafhirten, der Mühe hatte, die Tiere zu beruhigen, die sich vor den Bremsen fürchteten. Der Schafhirt zeigte den beiden bereitwilligst den Weg, auf dem Gott und Petrus wieder aus dem Walde herauskamen. Zur[117] Belohnung ließ Gott die Schafe gegen die Bremsen unempfindlich werden, so daß der Schafhirt Ruhe hatte.

Seitdem werden die Rinder durch Bremsenstiche in Schrecken versetzt, die Schafe aber bleiben ruhig.

Variante: Gott bittet einen Rinderhirten, der einen geflohenen Ochsen sucht, um Wasser, wird aber von diesem abgewiesen. Dann bittet er einen Schafhirten, der ihm bereitwillig zu trinken gibt. Zum Danke läßt Gott die Schafe auch bei größter Hitze ruhig bleiben; die Rinder aber plagt die Bremse, so daß sie wild hin und herlaufen und der Rinderhirt immer hinterherjagt.


  • Literatur: Marianu, Insectele S. 354.
Quelle:
Dähnhardt, Oskar: Natursagen. Eine Samlung naturdeutender Sagen, Märchen, Fabeln und Legenden, 4 Bände, Leipzig/Berlin, 1907-1912, S. 117-118.
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