II. Aus Afrika.

[31] 3. Aus Westafrika.


Spinne (männlich!) lebt auf einer Farm mit seiner Frau und seinen Kinderchen. Dies Jahr ging's gut mit der Farm o! und es gibt so viel Reis, aber da Spinne niemals genug zu essen bekommen kann, gönnt er nicht einmal Frau und Kindern etwas. Er denkt sich also etwas aus, daß sie ihn in der Farm allein zurücklassen sollen. [Der größeren Sicherheit halber schliefen die Leute nicht auf den Farmen, sondern im Dorf, und Spinne will also nachts allein auf der Farm sein, wenn alle im Dorf sind.] Er sagt zur Frau: »Wenn ich mal sterbe, mußt du mich nahe am Farmhaus begraben.« Als er das gesagt hat, da dauert's auch nicht lang, Spinne wird krank, sein Kopf tut wirklich so, so weh. Er kann nichts mehr essen. Er sagt, die Krankheit hat ihn fest gepackt. Nach kaum drei Tagen stirbt Spinne. Die Frau und die Kinderchen und all die anderen Leute weinen um ihn. Sie begraben ihn nahe beim Farmhaus, wie er es gesagt hatte. Die Frau nimmt ihre Kinder und geht ins Dorf, nur manchmal arbeitet sie auf der Farm. Ehe sie ins Dorf geht, läßt sie immer viel Reis, Fisch, Palmöl, Pfeffer und alles, was man zum Kochen braucht, zurück. Wenn alle fort sind, steht Spinne leise aus dem Grab auf, geht in das Farmhaus, nimmt den Topf, wäscht ihn, setzt ihn aufs Feuer und kocht viel Reis, dann holt er den Fisch und nimmt sich genug. Also ißt er all dies, bis der erste Hahn kräht. Grad wenn der Hahn kräht, geht Spinne ins Grab und legt sich leise wieder hin. Nun kommen die Leute – als sie den Reis ko chen wollen, ist aber nur ein ganz kleines Bißchen da. Niemand weiß, wer ihn genommen hat. So treibt es Spinne eine ganze Woche lang: wenn die Leute nach Hause gehen, kommt Spinne aus dem Grab. Die Leute wissen gar nicht, was sie tun sollen, bis jemand sagt: »Ihr müßt zum Seher gehen. Wenn er auf die Erde sieht, kann er sagen, wer so etwas tun kann.« So gehen sie zum Seher. Der sieht auf die Erde und sagt: »Wenn ihr den fangen wollt, der euch diesen Streich gespielt hat, dann müßt ihr viel »Wachs« (vom Baume chockooh, eine sehr zähe Masse) holen und davon ein junges Mädchen machen, und dies Mädchen müßt ihr in eine Ecke des Hauses setzen.« Das tun sie, und Spinne weiß nichts von alledem. Als die Leute gegangen sind, kommt er leise heraus, wie er es immer getan hat. Er holt den großen, großen Topf und setzt ihn aufs Feuer. Er holt den Reis, er kocht den Reis, dann nimmt er den Topf weg und stellt ihn auf die Erde. Nun holt er einen kleineren Topf und sieht nach, ob wohl Fisch da ist, er findet auch etwas. Den Fisch kocht er sehr schön und macht Suppe daraus und setzt sie neben den Reis. Dann holt er sich den Teller, wäscht ihn, aber er findet keinen Stocklöffel und nimmt sich einen Feuerbrand, um den Löffel zu suchen. Dabei sieht er die Wachspuppe. »Eh! eh!« ruft er. »Du bist die ganze Zeit hier gewesen und läßt mich erst den Reis kochen und dann die Suppe? Du kommst nicht einmal her, um mir zu helfen?« Das Ding redet nicht. »Da ich nun einmal fertig bin, so mach' und trag den Reis auf, daß wir essen können.« Als das Ding wieder nicht antwortet, sagt Spinne: »Wie kannst du so was tun![31] Ich rede hier, und du hörst doch, was ich sage. Ich sage dir jetzt, du mußt den Reis holen, daß wir essen können.« Das Ding antwortet wie der nicht, da holt Spinne mit der Hand aus. Als die Hand trifft, bleibt sie stecken, da sagt er: »Du hältst mich fest, weil ich dich nicht mit beiden Händen schlage?« Da schlägt er mit der andern Hand, sie bleibt auch kleben, und er ruft: »Eh, eh, laß mich jetzt. Du willst den Reis nicht holen, soll ich ihn selber holen? Denkst du vielleicht, ich spiele hier, und darum tust du so? Du bringst mich dazu, daß ich dich mit dem Fußstoße.« Er stößt – und der Fuß bleibt kleben. »Ich werde dich noch mit dem anderen Fuß stoßen.« Und er stößt auch mit dem anderen Fuß – der bleibt wieder kleben. »Eh, eh, läßt du mich nicht los, so stoße ich mit dem Kopf.« Und er pufft mit dem Kopf aufs Wachs. »Läßt du mich nicht los, so stoße ich noch mit der Brust.« Und er pufft auch mit der Brust aufs Wachs. Als Spinne nun sieht, daß er ganz fest ist, fängt er an, ganz leise zu reden, zu bitten, o! so zu bitten: »Laß mich los, o bitte, laß mich bald los!« Wie er auch bittet, das Ding sagt kein Wort, es steht nur da. Spinne dreht sich und dreht sich und versucht loszukommen, aber je mehr er sich bewegt, desto mehr bleibt er stecken. Seine Frau kommt aus der Stadt, sieht Spinne und sagt: »Ah Freund, das hast du all die Zeit getrieben! So hast du nur gesagt, du stirbst, um all den Reis zu nehmen? Nun, ich werde dich sicher nicht losmachen. Du kannst da stehen bleiben.« Spinne muß da stehen bleiben, bis all die Leute aus dem Dorf kommen – die prügeln ihn aber! Als Spinne nun so an der Wachspuppe klebte und alle ihn schlugen, da wurde er so platt, wie er noch heute ist. Das war seine Strafe. Fertig ist die Geschichte.


  • Literatur: Cronise-Ward, Cunnie Rabbit, Mr. Spider and the other Beef, S. 101.
Quelle:
Dähnhardt-Natursagen-4, S. 31-32.
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