B. Aus Asien.

[282] 1. Fabel der Koryaken (dem zweiten Teil ist eine andere Sage angehängt).


Einst sagte der Fuchs (Yāyol) zu seinen Kindern: »Ich will gehen und mir ein paar Eier verschaffen.« Er ging in den Wald und sah ein Adlernest auf einem Baum. Er tat ein paar Grasstengel in seine Ohren, schlug damit an den Baum und sagte zum Adler: »Wirf mir ein Ei herunter. Wenn du es nicht tust, will ich den Baum mit diesen Stengeln umhauen und ihn zerbrechen.« Der Adler fürchtete sich und warf ein Ei hinunter. »Wirf noch eins herunter,« sagte der Fuchs. »Nein, es ist genug, ich werfe keins mehr herunter,« antwortete der Adler, aber der Fuchs sagte: »Wirf es herunter. Wenn ich den Baum umhaue, nehme ich sie alle,« Der Adler fürchtete sich und warf noch ein Ei hinunter. Da lachte der Fuchs und sagte: »Ich habe dich schon überlistet. Wie hätte ich denn einen ganzen Baum mit diesen kleinen Grasstengeln umhauen können?«

Da wurde der Adler voll Zorn, warf sich auf den Fuchs, packte ihn mit seinen Fängen, hob ihn in die Luft, flog über das Meer und warf ihn auf eine einsame Insel. Dort blieb der Fuchs. Er lebte dort und dachte bei sich: Soll ich wirklich auf dieser Insel sterben? Da murmelte er Beschwörungsformeln, und Seehunde, Walrosse und Walfische erschienen bei der Insel. »Was redest und singst du da?« fragten sie den Fuchs. »Darüber singe und rede ich,« antwortete der Fuchs, »gibt es mehr Tiere in den Wassern der See oder auf dem Festland?« »Sicherlich mehr in den Wassern der See,« sagten die Seetiere. »Nun, so wollen wir einmal sehen,« sagte der Fuchs. »Kommt an die Oberfläche des Wassers und macht eine Floßbrücke von dieser Insel bis an das Festland, dann will ich über euch laufen und euch alle[282] zählen.« Sie kamen alle an die Oberfläche, bildeten eine Floßbrücke und der Fuchs lief über ihre Rücken und tat, als ob er sie zähle, aber sobald er ans Festland kam, sprang er ans Ufer und ging nach Hause.

Auf dem Wege begegnete er dem Bären, der war der Vetter des Fuchses. Der Fuchs fragte ihn: »Vetter, fürchtest du irgendetwas auf der Erde?« »Nein, ich fürchte niemand,« erwiderte der Bär. »Nicht einmal die Zweibeinigen?« fragte der Fuchs. »Ich fürchte sie nicht, ja, ich suche sie sogar, denn ich fresse sie.« Der Fuchs lief voraus und begegnete zwei Menschen. Er sagte zu ihnen: »Folgt mir, ich will euch einen Bären zeigen. Er sagt, er fürchtet euch nicht. Ich will vorauslaufen und ihn euch entgegenführen.« Da ging der Fuchs und holte den Bären. Die Leute schössen Pfeile von ihren Bögen und verwundeten den Bären. Bär und Fuchs flohen. Der Fuchs sagte zum Bären: »Laß mich deine Wunde behandeln,« erhitzte einen spitzen Stein und stieß ihn in die Wunde. Der Bär starb. Der Fuchs schnitt ihn auf, trug das Fleisch nach Hause und sagte zu seinen Kindern: »Hier habe ich einen Bären getötet.« Das ist alles.


  • Literatur: Jochelson, The Koryak S. 184 in The Jessup North Pacific Expedition. Mem. of the Am. Mus. of Nat. History, vol. X. Diese letzte Episode zwischen Bär und Fuchs hat einige Ähnlichkeit mit Episoden bei Boas, Indian. Sagen, S. 317 und Kathlamat Texts S. 153; Dixon, Maidu Myths, S. 81.
Quelle:
Dähnhardt-Natursagen-4, S. 282-283.
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