Der Königssohn und der Schlächter

Es hatte ein König einen Sohn, der, zum Manne herangereift, sich in ein wundersam schönes Mädchen verliebte. Jeden Tag durcheilte der Prinz die Straßen und Gassen der Stadt in der Hoffnung, der zu begegnen, die er liebte; doch geschah dieses nur äußerst selten.

Eines Morgens nun erzählte des Königs Sohn dem Schlächter des Palastes seine Liebe zu der Unbekannten und bat ihn herzlich, ihm mit seinen Ratschlägen beizustehen.

»– Durchstreifen wir die Stadt,« schlug der Schlächter vor, »und laßt uns sehen, ob wir die treffen, welche Ihr liebt!«

Und der Zufall wollte, daß sie ihr auf dem Wege begegneten.

»Ich weiß nun, wo sie wohnt,« versicherte des Prinzen Gefährte. »Und wir können in den Palast zurückgehen.« Und anderen Morgens begleitete der Königssohn, als Schlächterbursche verkleidet, seinen Vertrauten in das Haus der Schönen. Die Wohnung war mit köstlichem Hausrat ausgestattet. Das junge Mädchen lebte dort mit einer gefälligen und hübschen Erzieherin.[9]

Es war aber gerade an den Tagen des Baïrams.

Während dieser Festzeit muß nun jeder Muselmann ein oder mehrere Hammel opfern, deren Fleisch unter die Armen verteilt wird. Der Schlächter erbot sich, das Lamm, wie es der Brauch verlangte, zu entkehlen. Das schöne junge Mädchen nun ließ seinerseits einen Braten für die beiden Fremdlinge zubereiten.

Sprach der Schlächter zum Prinzen: »Anstatt zu essen, wie es sich ziemt, wollen wir es tun wie Leute, die der Erziehung ermangeln; und laßt uns uns aufführen, als ob wir dumme Tröpfe wären. Knabbern wir an den Knochen!«

Als man den Braten auftrug, packten die beiden Männer die Knochen und huben an auf ihnen herumzukauen.

Es sprach aber das junge Fräulein zu seiner Erzieherin: »Ist doch ein Jammer, daß diese armen Burschen nicht zu essen verstehen, wie es sich für wohlerzogene Menschen schickt. Laß uns ihnen doch zeigen, was sie nicht wissen. Ich will den Schlächterburschen lehren, was er zu tun hat, du aber, du magst den Meister übernehmen!«

Den Braten zerlegend boten sie ihn den Schlächtern in kleinen Bissen dar.

Nach beendigter Speisung brachte die Erzieherin Wasser für die Hände herbei. Die beiden Männer huben an sich das Gesicht zu waschen.

»Ach, wie schade,« rief das Jungfräulein. »Die Leute[10] verstehen sich nicht aufs Waschen. Man muß ihnen diese Kunst beibringen.«

Und zeigte ihnen, wie man sich die Finger abspült.

Der Königssohn und sein Begleiter gaben dann zu verstehen, daß sie große Lust zu schlafen verspürten. »Die jungen Leute sind müde,« fing das schöne Mädchen wieder an. »Man soll ihnen zwei Betten zurechtmachen!«

Als das Bett hergerichtet, legten sich die beiden Kumpane quer über das Lager zum Schlafen.

»Aber sie wissen ja nicht, wie man zu Bett gehen muß,« schrieen die beiden Frauen auf, »wir müssen es sie lehren!«

Die Kleine legte sich ins Bett zu Seiten des Prinzen, die Erzieherin aber tat ein Gleiches bei dem Schlächter. Alsobald huben die beiden Freunde an, mit der Hand über den Nabel der Frauen hinzufahren.

»Nicht so«, sprach die Herrin.

Und führte des Prinzen Hand ein bißchen tiefer.

Der junge Mann holte sein Ackermännlein hervor und wollte dieselbe Stelle beackern, über welche er vorher mit der Hand gefahren war.

»Nichts weiß das Unglückswurm. Muß man ihm wirklich auch diese Kunst beibringen.«

Das war bald geschehen. Sie packte den Teufel wacker beim Kragen und führte ihn ins Paradies. Dann sich abhastend säumte sie nicht, sich Glück zu einem[11] solchen Schüler zu wünschen und ihre Seufzer mit denen der Erzieherin zu vereinen.

Die Lehre hatte genügt. Bis zum Morgen verloren der Prinz und der Schlächter, die beiden schlauen Füchse, – die Schöne und ihre Erzieherin hielten sie für solche – keine Zeit mit Schlafen oder Schwätzen. Und als sie die Geliebten verließen, geschah es mit dem Versprechen, die kommende Nacht und alle die folgenden sich wieder einzustellen. Worein der Prinz und der Schlächter, wie ihr euch wohl denken könnt, gerne willigten.

Quelle:
[Hansmann, Paul] (Hg.): Schwänke vom Bosporus. Berlin: Hyperionverlag, [1918], S. 9-12.
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