Der Kahlkopf

[12] Ein Mann, der kahlköpfig war, wurde von einem bestimmten Kadi ungerechterweise verurteilt.

Der Glatzkopf beschloß sich zu rächen. Nachdem er alles wohl erwogen hatte, riß er sich den Bart aus, zog sich als Mädchen an und stellte sich bei dem Richter ein.

»Man hat mir gesagt, daß Ihr eine Dienerin nötig hättet,« sprach er zum Kadi; »ich würde mich glücklich schätzen, wenn ich in Eurem Hause Dienstbote sein dürfte!«

Der Richter beschaute sie sich eingehend, fand sie hübsch und beeilte sich, sie als Dienerin anzunehmen.

Nun war dieser Kadi verheiratet und hatte als Töchter zwei hübsche Jungfrauen, die gar wohl fähig waren, die Liebesdinge zu begreifen.

Die Magd erwies sich als ein Muster aller Dienstboten. Sie erwarb sich die Gunst der Frau des Kadis und die ihrer Töchter, vor allem aber die des Richters.

Der Hurenknecht wünschte bei seiner Magd zu schlafen. Doch wie sollte er das anstellen? Nachdem er nachgedacht hatte, zögerte er nicht, Mittel und Wege dazu zu finden.[13]

Seine Familie in die heißen Bäder schickend, war der Kadi überzeugt, daß die Dienerin die Frauen zwar begleiten werde, aber auf den ausdrücklichen Befehl des Hausherrn hin zurückkommen müsse, nachdem sie die weiße Leinenwäsche, welche sie über dem Arme trug, hingebracht.

Als man im Hammam war, hub die falsche Dienerin zu den beiden jungen Damen also an:

»Laßt uns beten, daß wir Männer werden!«

– »Männer werden? Aber wie denn?«

»Ich kenne ein erstaunliches Gebet, und es ist das ein großes Geheimnis, welches einer von uns gestattet, sich in einen Mann umzuwandeln!«

»Was müssen wir tun?«

»Ganz einfach sagen: also sei es!«

Die drei Frauen knieten nieder.

Fragte die Dienerin nach einem langen Gebet:

»Welche von uns ist nun Mann geworden?«

»Woran merken wir das?«

»Seht zu, ob Euch ein kleines Ärmchen zwischen den Schenkeln gewachsen ist!«

– »Ach, wir haben immer noch dasselbe Löchlein!« »Ja, dann bin ich ein Mann geworden,« rief die Magd. Und ihre Kleider hochraffend, zeigte sie ein dickes rotes Tier, welches gut einen halben Fuß lang war und tanzte.

»Was ist das?« fragten die beiden Jungfrauen.

»He, ein Fläschchen!«[14]

»Und darunter?«

»Das sind zwei kleine Krüge!«

»Was tut man damit?«

»Mit dem Fläschchen und den Krüglein verwandelt man Mädchen in Frauen!«

»Verwandle uns in Frauen!«

»Das soll nicht schwer sein!«

Ohne einen Augenblick zu verlieren, verwandelte die Magd die Jungfrauen zu ihrer großen Freude in Weiber.

Alsobald stellte sich des Kadis Frau ein.

»O Mutter,« riefen die jungen Damen, »ein Wunder ist geschehen! Die Magd hat ein Zaubergebet gesprochen, das sie in einen Mann verwandelt hat!«

»Was schwatzt ihr kleinen Narren da?«

»Wir sagen nur, was wahr ist. Ein Fläschchen und Krüge sind der Magd zwischen den Schenkeln so schön gewachsen, daß wir aus Jungfrauen in Weiber verwandelt wurden!«

»Ich will das Wunder kennen lernen. He, Magd, laß mich dein Fläschchen schauen!«

Der Glatzkopf zeigte sein Werkzeug, welches des Kadis Weib drehte und wendete und so wohl preßte, daß es seine verlorene Stärke wiedererhielt.

»Das scheint mir kein Fläschchen zu sein, wohl aber ein Ackermännlein,« sagte das Weib, »obwohl es viel stärker und schöner als das des Kadis ist. Doch glaube ich es erst mit Bestimmtheit, wenn du es mich hast versuchen lassen!«[15]

»Alsogleich überzeugt Euch davon!«

Und der Glatzkopf machte sich wieder an die Arbeit. Als die Gärten der drei Schönen in schicklicher Weise umgeackert waren, kehrte die Magd zum Kadi zurück.

Es war aber der Richter hochentzückt, ganz allein mit der Dienerin zu sein. Hub an sie zu küssen, zu liebkosen, sagte ihr süße Worte, gab ihr zärtliche Klapse, die ihr ausführlich von seiner Leidenschaft berichteten.

»Nun denn, komm ins Bett, mein kleines Hühnchen,« bettelte er. »Ich möchte dich gern schnell ganz nackt in meinen Armen halten!«

Im selben Augenblick ging ein Birnenverkäufer durch die Gasse.

»Kauft mir Birnen und ihr sollt mich haben,« so die Magd, welche tat, als ob sie in Ohnmacht fiele.

»Gern, gern, mein schönes Kind!«

Und der Kadi beugte sich aus dem Fenster, um den vorübergehenden Kaufmann zu rufen. Alsogleich ließ die Magd das Gitterfenster, das sehr schwer war, zurückfallen und der Richter fand sich zwischen den beiden Klappen gefangen.

Ohne Zeit zu verlieren zog ihn die Magd aus und zeigte ihm, wie er sich auch sträuben mochte, die besondere Art der Gartenpflege, wie er sie bereits die Frau und die Töchter gelehrt hatte.

Als es Abend ward, richtete man ein Huhn auf des Kadis Tafel an.[16]

Die jüngste Tochter aber griff nach einem Flügel und, ihn ihrer älteren Schwester reichend, sprach sie:

»Eßt Ihr diesen Hühnerknochen!«

Die Alteste weigerte sich und gab ihn ihrer Mutter.

»Nein, der ist für den Kadi!«

»Schön, schön,« schrie der Richter, »Was euch zugestoßen ist, geschah auch mir!«

Der Hühnerflügel erinnerte ihn an den Fittig der Magd.

Fragte des Kadis Weib: »Was ist Euch denn geschehen?«

»Ich verstehe schon, .... dieselbe Geschichte wie Euch!«

Das Weib dachte:

»Die Magd hat alles geklatscht!«

Und sie erkundigte sich nach der Dienerin, welche man nicht wiedergesehen hatte.

»Frau, ich wiederhole Euch,« sagte der Kadi, »was Euch geschah, ist auch mir zugestoßen!«

Und dann erzählte er seine Geschichte.

– »Es war keine Magd,« fügte er hinzu, »sondern ein kräftiger fester Bursche!«

Quelle:
[Hansmann, Paul] (Hg.): Schwänke vom Bosporus. Berlin: Hyperionverlag, [1918], S. 12-17.
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