Der Verstandverkäufer

[162] Brachte eines Tages ein Pfarrer ein Faß Salzfische nach Hause, die ihm ein Schiffskapitän gegeben hatte, der aus fernen Ländern heimgekommen.

Und sprach zu seiner Hausehre: »Liebe Frau, diese Fische lassen sich bis zum Winter aufbewahren. Heb' sie, bis Weihnacht kommt, auf!«

Das Weib aber stellte die Fische fort und einige Wochen verstrichen.

Als der Priester eines Morgens abwesend war, trat ein Fremder ins Pfarrhaus ein.

»Meine gute Frau,« hub er an, »ich spüre Hunger und Durst. Könnet Ihr mir etwas zu essen und zu trinken reichen?«

Die Popin hatte ein gutes Herz, ihr Gatte aber war ein Geizhals.

»Nichts kann ich Euch geben,« sagte sie darwider, »der Priester hat's mir verboten.«

»Habt Ihr nicht einige Oliven?«

»Ich hab' wohl ein großes Faß voll Salzfische, doch mein Mann hebt sie, bis Weihnacht kommt, auf!«

»Das ist ja ausgezeichnet, ich heiße Weihnacht. Ach, ich wußt' es doch, als ich hier anlangte, daß der teure Pope seinen unglücklichen Vetter nicht vergessen hätte!«[163]

»Wie, Ihr seid sein Vetter? Warum habt Ihr das nicht gleich gesagt? Dann seid Ihr zweifelsohne der Vetter Weihnacht, der in Konstantinopel wohnt und soviel Verstand besitzt?«

»Wahrlich, gerade der!«

»Nun, dann will ich Euch speisen und Ihr sollt das Faß mitnehmen.«

Der arme Teufel ißt und trinkt, dann umarmt er seine Base und geht mit dem Fasse weg.

Sobald der Priester wieder ins Haus tritt, hat das Weibchen nichts eiligeres zu tun, als ihm von seinem Vetter Weihnacht zu berichten, der in Konstantinopel ist.

»Hat er meine Rückkunft nicht abgewartet?« fragt der verdutzte Pfarrherr.

»Nein, hat mir aber gesagt, daß er wieder hier vorsprechen würde. Übrigens hab' ich ihm das Faß mit Fischen gegeben, wie's abgemacht war.«

»Abgemacht? Von wem?«

»Habt Ihr mir denn nicht gesagt, diese Fische wären für Weihnacht?«

»Gewiß, aber nur um zum Fest der Geburt unseres Heilandes gegessen zu werden! ... Wahrlich, Ihr seid verrückt, meine Frau! Habt Euch von einem Herumtreiber foppen lassen, der nicht mehr mein Vetter ist als unser Maultier. Niemals besaßet Ihr viel Verstand, jetzt aber sehe ich, daß Ihr das bißchen, was Ihr hattet, auch verloren habt!«[164]

Das Weib weint und seufzt. Die Türen hinter sich zuwerfend läuft der Pfarrer fort und eilt ins Nachbardorf.

Da kehrt der Lügner ins Pfarrhaus zurück.

»Guten Tag, meine liebe Base!«

»Schert Euch zum Teufel, fremder Mann. Ihr seid nicht mein Vetter Weihnacht, der aus Konstantinopel.«

»Euer Irrtum ist groß ... Doch ist mein Vetter nicht da?«

»Nein, er hat mich ausgezankt, weil ich Euch das Faß mit Fischen gegeben habe, die er fürs Weihnachtsfest aufsparte, und ist wütend fortgerannt, indem er mir vorwarf, keinen Verstand zu haben!«

»Warum kauft Ihr Euch den nicht? Das trifft sich doch großartig. Ich verkaufe Verstand und Witz an alle, die deren beraubt sind.«

»Möchte gern für einige Piaster kaufen.«

»Wie Ihr wünscht. Um wieviel wollet Ihr denn?«

»Gebt mir für zehn Piaster, denn ich hab' nur diese Summe in meinem Versteck.«

»Ja, und sollt ein gut Maß bekommen. Seine Einflößung aber ist etwas verwickelt. Drum darf Euch nicht in Erstaunen setzen, was vorgeht.«

»Alles, was Ihr mir sagt, werde ich tun, denn ich will Verstand bekommen.«

Der Herumtreiber versperrt die Tür, läßt das Weib sich aufs Bett legen und verbindet ihr die Augen. Dann tut er mit ihr, was der Pope dank seiner üblen Gesundheit sich nur allzu selten zu tun erlaubt.[165]

»Was macht Ihr denn da?« fragt ihn das Weib.

»Flöße Euch guten Verstand auf dem besten Wege ein!«

»Ach, wie gut er ist, Euer guter Verstand. Für die anderen zehn Piaster in meinem Verstecke sollt Ihr mir auch noch von ihm geben!«

Als der Mann sich drückt, hat er die fünfzig Piaster, welche alle Ersparnisse der Hausfrau ausmachen.

Kommt der Pfarrer zurück und will wieder von der Geschichte des Morgens anheben. Das Weib lächelt mit überlegener Miene. Und als der Priester fortfahrt, schreit sie:

»Schweigt doch stille, alter Esel. Verstand und Witz habe ich jetzt mehr als Ihr, seit Euer Vetter Weihnacht mir für fünfzig Piaster davon in meine Fröhlichkeit gesteckt hat!«

Quelle:
[Hansmann, Paul] (Hg.): Schwänke vom Bosporus. Berlin: Hyperionverlag, [1918], S. 162-166.
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