[73] 25. Der Waldgeist mit den großen Ideen

Eines Tages begegnete ein Mann tief im Walde einem Waldgeist. Der fragte ihn, was er dort wolle. Der Mann sagte, er sei gekommen, um zu jagen. Da befahl ihm der Waldgeist einige Akara, schwarze Landkrabben, zu suchen. Nach einer Weile kehrte er zur Jagdhütte zurück und brachte einige Krabben. Aber als der Waldgeist sie sah, lachte er: »Dies ist nicht die richtige Art, die ich haben wollte. Komm mit mir; ich will dir zeigen, was ich meine!« Damit führte er den Jäger zu einem großen Loch im Boden, steckte seinen rechten Arm hinein und zog zwei Gürteltiere heraus. »Diese Art Krabben brauche ich. Was du mir brachtest, waren nur Spinnen.«

Darauf kehrten sie zur Jagdhütte zurück. Dort befahl ihm der Geist, Kassawa zu holen. Er eilte zum nächsten Hause und kehrte bald mit einigen Kassawakuchen zurück. Aber diese waren nicht nach dem Wunsch des Waldgeistes. Sie[73] gingen zu einem benachbarten Baum, dort zeigte er ihm einen riesigen Baumschwamm, verwandelte ihn in einen Kassawakuchen und erklärte, diesen Kuchen hätte er haben wollen.

Danach schickte ihn der Geist aus, einen Kochtopf zu holen und beschrieb ihm genau, wo er ihn finden würde, zwischen den Wurzeln eines bestimmten Baumes. Der Mann ging dorthin, aber er fand nur eine Buschmeisterschlange. Als er zurückkam und berichtete, was er gesehen hatte, sagte der Waldgeist: »Hast du nicht beachtet, daß die Schlange zusammengerollt lag wie ein Topf? Warum brachtest du sie nicht, wie ich es dir sagte?« Da ging der Mann wieder zurück, und als er an die Stelle kam, da stand dort wirklich ein Kochtopf, mit allen Farben der Schlange bemalt. Als er ihn in die Jagdhütte brachte, befahl ihm der Waldgeist, zunächst Feuerholz zu holen. Dies tat er, aber als der Geist es sah, sagte er: »Das ist nicht, was ich dir auftrug.« Da nahm er den Mann mit zu einem großen, abgestorbenen Baum, schüttelte ihn ein wenig, daß er umstürzte, und trug ihn zu ihrem Lagerplatz. »Das ist, was ich Feuerholz nenne,« sagte er. »Was du mir brachtest, waren nur Vogelnester.«

So hatten sie bald ein Feuer angezündet und die Gürteltiere gekocht. Der Geist aß sein ganzes Gürteltier auf in wenigen Bissen. Der Mann aber konnte nur einen Teil davon essen. »Warum hast du dein Gürteltier nicht aufgegessen?« fragte ihn der Waldgeist. »Kein Wunder, daß ihr Indianer so dünn seid! Sieh mich an! Ich bin groß und dick und stark, weil ich mein ganzes Gürteltier verzehrt habe.«

Nachdem sie sich in ihren Hängematten ausgeruht hatten, gingen sie wieder auf die Jagd und kamen abends mit einer großen Menge Wildbret heim. Als sie sich sattgegessen hatten, rösteten und räucherten sie den Rest auf dem Bratrost. Dann legten sie sich für die Nacht in ihre Hängematten. Da sagte der Waldgeist, er vermute, daß ein Jaguar kommen[74] werde, um vom Bratrost zu stehlen. Er wies den Mann an zu wachen und gut aufzupassen. Nach einiger Zeit kam wirklich ein Jaguar, und der Mann weckte den Waldgeist. Dieser richtete sich in seiner Hängematte auf, um das Raubtier besser sehen zu können, und sagte: »Das ist doch kein Jaguar, das ist, was wir eine Ratte nennen!«, drehte sich auf die andere Seite und schlief weiter.

Der Mann sann über all dies lange Zeit nach, dann sagte er: »Nun, wenn er meine Art Jaguar eine Ratte nennt, was für ein Ding mag dann seine Art Jaguar sein?« Bei diesem Gedanken packte ihn große Angst, er lief davon und ließ den Waldgeist in der Hängematte.

Quelle:
Koch-Grünberg, Theodor (Hg.): Indianermärchen aus Südamerika. Jena: Eugen Diederichs, 1927, S. 73-75.
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