Herr Asai.

[425] Das Oberhaupt einer der vornehmen Familien Japans, der Asai, der einen hohen Offizierposten im Heere des Schogun zu Yedo einnahm, hatte eine sehr schöne Nebenfrau, auf welche seine legitime Gemahlin eifersüchtig wurde, so daß sie die verhaßte Nebenbuhlerin bei ihrem Gemahle verdächtigte. Die ungerechte Verleumdung hatte auch Erfolg; Herr Asai wurde ärgerlich gegen jene Nebenfrau und ließ sich einstmals von seinem Zorne so sehr hinreißen, daß er sie schlug, und zwar mit so blinder Wuth, daß sie ihr linkes Auge einbüßte. In ihrem Schmerze und in ihrem Unwillen über diese ganz ungerechtfertigte Mißhandlung sprach sie arge Verwünschungen aus, so daß nun Herr Asai sich vor Zorn gar nicht mehr kannte und ihr einen tödtlichen Schlag auf den Kopf versetzte. Aber die Folgen davon[425] blieben nicht aus; die Verwünschungen der Unglücklichen, denen zufolge gleiches mit gleichem an ihrem Herrn und seinem Geschlechte vergolten werden sollte, gingen aufs pünktlichste in Erfüllung. Zuerst verlor Herr Asai sein linkes Auge, bald darauf erkrankte er und starb, und seitdem sind, durch sechs Generationen hindurch, alle Häupter seines Geschlechts, sobald sie das Alter von vierzig Jahren erreichten, welches zur Zeit jener Begebenheit ihr Ahnherr hatte, erst erblindet und dann sehr bald gestorben.

Quelle:
Brauns, David: Japanische Märchen und Sagen. Leipzig: Verlag von Wilhelm Friedrich, 1885, S. 425-426.
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