Das Erscheinen Buddha's und die Ausbreitung des Buddhismus in Japan.

[301] Die Ausbreitung der göttlichen Lehre des Buddha in Japan vollzog sich trotz der aufopfernden Bemühungen vieler hochverdienter, heiliger Lehrer und trotz des Beistandes der meisten Kaiser, welche um die Zeit ihrer Einführung regierten, nur langsam. Während dieser Zeit geschah es oftmals, daß die Gottheit durch Wunder die Gläubigen in ihrem Vertrauen zu Buddha's Sendung stärkte. Einstmals sah man – im sechsten Jahrhundert nach Christo, als die buddhistische Lehre unter dem Kaiser Kimmei die ersten wesentlichen Fortschritte machte – in Naniwa ein Bild des Buddha erscheinen, das kurz zuvor in Korea gesehen war. Es erstrahlte in herrlichem Glanze und war ganz von Licht umflossen, und wer es berührte, war seiner Leiden und Plagen ledig. Später wurde diesem Bilde in Schinano ein eigener Tempel erbaut, der noch lange Zeit für das vornehmste und heiligste aller buddhistischen Gotteshäuser gehalten ward.

Zur Zeit des Sohnes und Nachfolgers des Kimmei, des Kaisers Bindatsu, ward der erste und am höchsten verehrte japanische Sendbote Buddha's, ein Prinz aus kaiserlichem Geblüte,[301] Namens Schotoku-Daischi, geboren. Von ihm erzählt man, daß er von dem indischen Heiligen Darma, als dessen erster Nachfolger er galt, mit Rath und That unterstützt wurde, und daß dieser ihm einstmals auf wunderbare Weise auf dem Berge Kattayoha erschien. Einen seiner Widersacher, Namens Moria, widerlegte einst auf Schotoku's Flehen die Gottheit selber; denn als Moria verschiedene aus Holz angefertigte Standbilder Buddha's verbrannt hatte und man die Asche in eine Grube schüttete, entstand in dieser Grube ein furchtbarer Sturm mit Donner und Blitz und verscheuchte alle Ungläubigen. Schotoku-Daischi's Ruhm drang daher bis in weite Ferne, und viele Ausländer kamen eigens nach Japan, um ihm zu huldigen.

Im siebenten Jahrhundert machten sich ferner mehrere Kaiser um den neuen Glauben hochverdient, allein immer noch hatte derselbe mit viel Widerspruch zu kämpfen. Als jedoch die Kaiserin Genscho zu Beginne des achten Jahrhunderts nach Christo den Thron bestiegen hatte, da zeigte sich abermals Buddha den Japanern in all seinem Glanze, umgeben von vielen Gottheiten, die seitdem alle in Japan verehrt werden, von Kwannon, Benten, Bischamon und von dem Gotte der Heilkunst, dem Yakuschi.

Diese göttliche Erscheinung galt dem Volke nachmals allgemein als ein vorbereitender Hinweis auf einen besonders frommen und weisen Sendboten Buddha's, auf Kobo-Daischi, der im Jahre 775 geboren ward und den größten Theil seines Lebens unter frommen Bußübungen in einer Höhle bei Schireischi, nicht weit von Kioto zubrachte; daher ihm noch bis zum heutigen Tage diese Höhle geweiht ist. Ihm gelang es, die widerstrebenden Gemüther zu versöhnen, indem er die Verehrung der den Japanern von Alters her geheiligten Götter, der Amaterasu und ihres ganzen Stammes, mit der des Buddha verband und in Einklang brachte. Seit dieser Zeit gewann die buddhistische Lehre immer leichteren Eingang beim ganzen Volke und wurde endlich zur herrschenden Religion in Japan.

Quelle:
Brauns, David: Japanische Märchen und Sagen. Leipzig: Verlag von Wilhelm Friedrich, 1885, S. 301-302.
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