Die geköpften Bildsäulen Buddha's.

[324] Nicht selten trifft man in Japan unter den vielen Steinbildern des Buddha auch solche, denen der Kopf abgeschlagen ist. Diese gottlose That ward anfänglich nur von Missethätern verübt, namentlich von den vielen Räubern, welche ehedem das Land durchstreiften. Falls dieselben eingefangen wurden, büßten sie stets mit dem Kopfe für ihre Frevelthaten, und wenn sie nun fürchteten, erwischt zu werden, so fleheten sie zu einem der Steinbilder Buddha's, daß dieser gütige göttliche Heilige an ihrer Stelle das Strafgericht auf sich nehmen und erdulden möge, und schlugen ihm dann zum Zeichen dessen den Kopf ab.

Nun ereignete es sich aber, daß Räuber solch ein abgeschlagenes Haupt unter sich getheilt hatten, so daß jeder von ihnen ein Stückchen davon bei sich führte. Und da ereignete es sich ferner, daß sie sämmtlich viel Glück hatten, so daß sie namentlich im Spiele mit Anderen stets gewannen. Seitdem nun gilt es für gewinnbringend, ein Steinstückchen, das früher einem abgeschlagenen Buddhakopfe angehört, bei sich zu tragen; jeder Spieler wünscht ein solches zu besitzen, und deshalb ist jene Unsitte, die Buddhabildnisse zu verstümmeln, zum Leidwesen aller Wohlgesinnten in Japan noch immer sehr verbreitet.[325]

Quelle:
Brauns, David: Japanische Märchen und Sagen. Leipzig: Verlag von Wilhelm Friedrich, 1885, S. 324-326.
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