1. Die Geburt des Eulenspiegels

[216] Da erzählt man sich, daß einst in der Stadt Rinondoran ein Ehepaar lebte. Der Mann hieß Londa und seine Frau Pa'ut.

Sie waren schon lange miteinander verheiratet, doch hatten sie noch immer keine Nachkommen. Sie besprachen sich daher eines Tages miteinander und sagten: »Wie sollen wir es bloß anfangen, und was können wir tun, damit wir ein Kind bekommen, das für uns sorgt und uns pflegt, wenn wir alt geworden sind?« Londa meinte: »O, meine liebe Pa'ut, wenn du damit einverstanden bist, [216] dann denke ich es mir folgendermaßen: Mein junger Bruder Lonto' kann ja, wenn du willst, bei dir schlafen. Wenn ihr zustimmt, bleibe ich dabei und bete. Und wenn uns dann der mächtige Gott gnädig gesonnen ist, wir mit einem Kinde gesegnet werden, so wollen wir sagen, es wäre unser eigenes Kind. Bekommen wir also durch die Gnade Gottes das Kind, das ihr zusammen zeugt, wollen wir es Towo (Betrüger) nennen.« Pa'ut antwortete: »O, mein guter Londa, wir Menschenkinder sind nun einmal so; wenn du fest beschlossen hast, was du dir ausdachtest, soll dein Verlangen erfüllt werden.« Londa sagte: »O, mein Liebling, Gott, der Himmel und Erde erschaffen hat, erweckte diesen Gedanken in meinem Herzen. Er hat mein Herz geöffnet, meine Lippen getrennt und meine Zunge bewogen, daß sie das sagte, was du gehört und für gut befunden hast.«

Ihr Plan wurde Lonto' vorgetragen. Lonto' antwortete und sprach: »Gut, aber laßt das kein Grund sein, daß mein älterer Bruder Londa mich tötet.« Londa erwiderte: »Muntuuntu, der neben dem mächtigen Gott sitzt, ist Zeuge dessen, was du gehört hast; beschäme und bringe uns nicht in Unehren. Erfülle meine Bitte, damit Gott uns segnet.«

Darauf tat Lonto' seinem Bruder den Gefallen. Und während all' der Tage betete Londa ununterbrochen zu Gott. Worauf er in seinem Gebete immer wieder zurückkam, war, daß Pa'ut, wenn er es vermöchte, mit einem Sohne gesegnet würde. So kam der Tag heran, wo Pa'ut eines Knäbleins genas. Londa war darüber sehr erfreut, war doch sein Gebet erhört worden, und überdies hatte Pa'ut ja einen Jungen geboren! Als dem Kinde die Nabelschnur abgeschnitten wurde, sagte Londa: »Dein Name, mein Sohn, sei Towo.«

Towo wurde groß und dick und fing an zu sprechen. Es dauerte gar nicht lange, da brauchte man dem Kinde keine Worte mehr zu lehren. Nun fingen die Untugenden und Unartigkeiten Towos an. Und es gefiel ihm durchaus nicht mehr, zu Hause zu bleiben und mit seinen Altersgenossen zu spielen.

Quelle:
Hambruch, Paul: Malaiische Märchen aus Madagaskar und Insulinde. Jena: Eugen Diederich, 1922, S. 216-217.
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