15. Wie Eulenspiegel entkam und eine Frau verführte

[233] Nach einigen Tagen erwischte man ihn aber doch, und nun sollte er, um den Kaufpreis für das Boot abzuarbeiten, als Ruderer auf einem Handelsfahrzeug Dienste tun. Es war ein großes Schiff, an dessen Längsseiten sich Ruderbänke befanden, von denen man herunterspringen konnte. Um etwas Leben unter die Leute zu bringen, schlug Taba vor, einen Rudergesang anzustimmen. Zuerst sollten die Vordermänner singen, darauf die zweite Strophe die Hintermänner. Er gab an: »Die ersten singen:


Tege! o ma joga!

›Rudert schnell! Ihr habt Eile!‹


und darauf antworten die zweiten:


Taba o firi mara!

›Taba ist schon fortgelaufen.‹«


Nachdem sie diese Verse eine Weile gesungen hatten und mit voller Kraft vorwärts ruderten, ließ Taba sich ins Wasser gleiten und entfloh an Land.

Taba streifte durch das Land und kam dabei zu einem Manne, der ein Boot bauen wollte. Der fragte ihn, wie er hieße: Taba antwortete: »Tjuki murari« (Beschlafe die Frau). Dabei spielte er ihm den Lochbohrer, den gogori, aus den Händen. Der Mann suchte danach, und als Taba dies bemerkte, sagte er: »Was suchst du denn?« – »Nun, meinen Bohrer!« – »O,« meinte der Eulenspiegel, »den hast du wohl vergessen; aber ich will ihn dir vom Hause holen.« Als er da ankam, fragte ihn die Frau, was er wollte. »Ich soll den gogori, den Bohrer deines Mannes holen!« – »O, den hat [233] er mitgenommen!« – »Ja, dann hat er auch noch gesagt, daß ich Euch geschwind einmal beschlafen sollte.« – »Kerl! Du bist verrückt! Denkst du, daß mein Mann so etwas sagen wird?« – In diesem Augenblick rief der Mann, der auf den Bohrer wartete: »Tjuki murari! Tjuki murari!« – »Hörst du's wohl?« sagte Taba zu der Frau und nötigte sie, hineinzugehen, wo er nun schnell seine Lust an ihr befriedigte. Darauf machte er sich aus dem Staube. Bald hernach kam der Mann heim und fragte, wo sein Freund mit dem Bohrer geblieben wäre. Seine Frau schalt ihn aus, weil er ihr einen Kerl geschickt und dem befohlen hatte, sie zu belästigen. Das gab ein heftiges Wortgefecht, und zum Schluß sah der Mann auch ein, daß der Fremde ihn zum Besten gehabt hatte. Taba war aber längst über alle Berge, und niemand konnte ihn fassen.

Quelle:
Hambruch, Paul: Malaiische Märchen aus Madagaskar und Insulinde. Jena: Eugen Diederich, 1922, S. 233-234.
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