16. Wie Eulenspiegel des Königs Schwiegersohn wurde

[234] Endlich ging die Sache schief. Sie kriegten ihn zu packen; wegen etlicher Ungehörigkeiten wurde er verurteilt, zur Strafe Sklavendienste im Palaste des Königs zu tun. Der König hatte einen Sohn und eine Tochter, denen mußte er zur Hand gehen. So ging er denn auch eines Tages hinter ihnen her, als sie mit einer Angel an den Strand zogen. Sie liefen auf dem Sande entlang und schleiften den Haken durch die Wellen, um so Fische zu fangen. Taba befestigte den Köder an dem Haken der Prinzessin, dabei bog er den krummen Haken gerade. Der Prinz fing hin und wieder einen Fisch, doch die Prinzessin fing mit dem geraden Haken natürlich nicht einen einzigen. Sie beklagte sich darob bei Taba, der ihr antwortete, daß er schon ein Mittel wüßte, damit sie auch Fische fangen könnte. Als sie darauf fragte, was für ein Mittel es wäre, gab er zur Antwort, sie müßte sich von ihm beschlafen lassen. Die einfältige Prinzessin glaubte es ihm, und sie entfernten sich für einen Augenblick ins Gebüsch. Darnach bog er den Haken wieder krumm, band den Köder [234] daran und sieh' da! sie machte einen Fang nach dem andern. So machte er es zu verschiedenen Malen, wenn er mit des Königs Tochter zum Angeln ging.

Die Folgen blieben jedoch nicht aus, und beide waren in Angst, was ihrer wohl wartete, wenn sie entdeckt wurden. Sie wollten einander heiraten, aber wie sollten sie den König bestimmen, daß er seine Einwilligung gab? Taba sann auf eine List. Er hatte herausgefunden, daß der Hauptweg in großen Windungen und Biegungen nicht allzuweit von einem Banianenbaum vorüberführte. Er legte nun nach diesem Baume einen geraden Weg an. Darauf begab er sich ins Haus und stellte sich schwer krank. Er setzte sich in die Herdasche und ächzte und stöhnte, daß es einen Stein rühren konnte. Man fragte, was man für ihn tun könnte. »Ach,« sagte er, »wenn ihr mir einen Gefallen tun wollt, dann begebt euch doch nach dem Banianenbaum, der da nicht weit vom Hause entfernt am Wege steht; darin wohnt ein Geist, den verehre ich; wenn ihr den befragt, dann wird er euch wohl sagen, was für meine Krankheit gut ist.« – Die Leute hatten mit ihm Mitleid und gingen also nach dem Banianenbaum. Taba war jedoch schneller, er lief den geraden Weg, stieg in den Baum hinein, und als die Leute fragten, was sie tun sollten, damit Taba wieder gesund würde, antwortete er: »Ihr müßt ihn mit der Tochter des Königs verheiraten.« Bevor die Leute, die den krummen Pfad gehen mußten, wieder bei ihm im Hause waren, war Taba schon da und saß wieder in der Asche und stöhnte. Sie erzählten ihm, was der Baumgeist gesagt hatte, und waren bereit, für die Erfüllung des Wunsches zu sorgen. So wurde Taba der Schwiegersohn des Königs, und sofort war er wieder gesund.

Quelle:
Hambruch, Paul: Malaiische Märchen aus Madagaskar und Insulinde. Jena: Eugen Diederich, 1922, S. 234-235.
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