[218] 53. Erauarauin und das Ungeheuer

Es lebte einmal eine Frau Erauarauin, die hatte einen Mann, der hieß Arere. Sie wohnten beide in Aiuo auf dem Platze Godu. Die Frau bekam dreißig Kinder, welche alle nach ihrer Mutter Erauarauin benannt wurden.

Eines Tages ging der Vater fischen. Als er fort war, erschien das Ungeheuer Eango bei der Frau und sagte: »Erauarauin, Erauarauin! wo ist dein Mann Arere?«

Die Frau antwortete: »Arere ist nicht hier, er ist ausgegangen und holt für die Kinder Essen.«

Da sprach das Ungeheuer: »Gib mir eins von deinen Kindern, ich will es fressen.« – »Nein,« sagte die Frau, »das [218] tue ich nicht. Ich fürchte mich vor meinem Mann.« – »Gut,« entgegnete das Ungeheuer, »gibst du mir kein Kind, so werde ich dich fressen.« Da gab die Frau ihm das älteste Kind; das Ungetüm fraß es auf und verschwand.

Bald darauf kam der Vater nach Haus und sah, daß ein Kind fehlte. Er fragte die Frau, wo es wäre. Und die erzählte ihm die Geschichte.

Am andern Tag ging der Mann wieder fischen. Wiederum erschien das Ungeheuer bei der Frau, forderte ein Kind und fraß es auf.

So ging es jeden Tag. Wenn der Vater zum Fischen gegangen war, besuchte das Ungetüm die Frau, verlangte ein Kind und verschlang es. Schließlich war nur noch ein Kind übrig.

Da sagte der Mann zu seiner Frau: »So, geh du lieber fischen; ich will auf unser letztes Kind passen, denn du hast die anderen alle weggegeben.«

Die Frau ging fort. Bald danach erschien das Ungeheuer und forderte das letzte Kind. Doch es merkte nicht, daß die Frau fort und an ihrer Stelle der Mann zu Hause war. Als er sich weigerte, das Kind herauszugeben, sagte das Ungeheuer zu ihm: »Wenn du nicht tun willst, was ich verlange, fresse ich dich!« – »Schön, gut,« antwortete Arere, »komm nur her und verschlinge mich!«

Als das Ungetüm sich auf ihn stürzte, erstach er es mit dem Speer.

Bald darauf kam die Frau nach Hause, und als sie das Tier tot im Sande liegen sah, freute sie sich sehr, und Erauarauin und Arere konnten in Frieden weiterleben.

Quelle:
Hambruch, Paul: Südseemärchen. Jena: Eugen Diederich, 1916, S. 218-219.
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