Marzebilla.

[114] In der Gegend von Preßnitz befindet sich ein Berg, Namens »Bartelwulfenberg.« Hier soll vor Jahren ein Schloß gestanden haben. Der Besitzer derselben hatte eine Tochter, die in ein Nonnenkloster gieng. Hier hatte sie eine Liebschaft mit einem Ritter und kam zu Falle. Sie entfloh und starb in Elend. Seit dieser Zeit läßt sie sich nun im Kaiserwalde bei Preßnitz öfter sehen und ist allgemein bekannt unter dem Namen Marzebilla. Sie trägt an ihrer linken Hand einen Handschuh von Blech. Einmal soll ein Bauer aus Neudorf in den Wald um Holz gefahren sein. Da blieb plötzlich sein Gespann stehen und konnte nicht weiter. Er sah sich um und erblickte auf dem hinteren Ende des Wagens ein altes Weib, das er an dem Blechhandschuh gleich als die Marzebilla erkannte. Sie bat ihn, sie mitfahren zu lassen. Allein der Bauer sagte, sie sei zu schwer, und als sie nicht heruntersteigen wollte, schlug er sie so, daß sie herabfiel. Als aber der Bauer nach Hause kam, legte er sich ins Bett und starb nach acht Tagen. Der Leichnam aber war verschwunden. Erst nach einigen Jahren fand man beim Fällen alter Bäume ein Gerippe im Walde, das man an einem Amulet als das des Bauern erkannte. – Einige Schnitter mähten das Gras am Rande des Kaiserwaldes. Um Mittag, als im Dorfe geläutet wurde, erschien die Marzebilla und forderte die Arbeiter auf, zu beten. Diese waren zu faul dazu.[114] Als sie aber nachher zur Quelle giengen, um zu trinken, fanden sie Blut statt des Wassers. Einer von den Schnittern wollte sich besser überzeugen und stieß mit dem Stock in den Schlamm. Da erschien die Marzebilla gehüllt in einen feinen Nebel, sprach eine Formel und die Schnitter verwandelten sich in Aschenhäufchen. –

Wenn Leute in den Wald gehen, um Beeren zu suchen, so erscheint ihnen oft die Marzebilla und führt sie in undurchdringliches Dickicht. Fluchen dann die Leute, so überläßt sie die Marzebilla ihrem Schicksale, beten sie aber, so führt sie dieselben an fruchtbare Stellen, von wo sie den Heimweg leicht treffen. (J. Gaudel aus Komotau.)

Quelle:
Grohmann, Josef Virgil: Sagen-Buch von Böhmen und Mähren. 1: Sagen aus Böhmen, Prag: Calve, 1863, S. 114-115.
Lizenz:
Kategorien: