Das Waschweiberl.

[140] Zur Zeit der Heuernte sah man in einem Bache des Böhmerwaldes unter Erlengesträuch jährlich eine Schaar badender Weibchen erscheinen, welche da plätscherten und lärmten und allerlei Fetzen und Windeln zum Trocknen auf das Gesträuch hängten; sie waren nicht größer als einjährige Kinder. In einiger Entfernung durfte man ihnen zusehen, ohne daß sie sich daran kehrten; aber wollte man in ihre Nähe kommen, so erhoben sie ein Geschrei und tumultuarisch ihre Fetzen und Windeln zusammenraffend, rauschten sie unter das Wasser und verschwanden. Ein Bauernbursch, sonst erpichter Vogel- und Taubenfänger, richtete einmal auch eine Falle im Gesträuch am Bache auf – und wirklich gieng ihm ein solches Waschweiberl ein. Es hatte ein weißes reinliches Kleidchen von Leinwand an, das bis an die halbe Wade reichte und die wohlgekämmten Haare fielen aufgelös't bis zu den Schultern herab. Ohne Sträuben ließ es sich von dem Burschen nach Hause tragen und sah sich frisch mit den schwarzen Aeuglein um. Kaum in die Stube gebracht, streifte das Weiberl die Hemdeärmelchen zurück, schürzte das Kleidchen und begann zum Verwundern und Ergötzen der Hausbewohner geschäftig aufzuräumen, Geschirr zu waschen, auf die Wandbänke steigend die Fenster zu reinigen, sang, lief und kurz war ruhelos vom Morgen bis zum Abend, ohne sich im Geringsten etwas schaffen zu lassen. Während der Abenddämmerung kam das Wassermännlein, klammerte sich draußen an die Wand und sprach zum Fenster hinein, das Waschweiberl[141] klammerte sich von innen an die Wand und sprach hinaus; und da thaten sie vertraulich und er trug ihr auf, nichts von ihren Geheimnissen auszuplaudern. – Als der Winter nahte, dachten die Hausleute daran, das Waschweiberl mit Schuhen zu versehen, aber es reichte das Füßchen nicht dar, um ein Maß nehmen zu lassen; man streute daher Mehl auf den Fußboden der Stube und nahm das Maß nach den Tritten des Weibchens. Gut, die Schuhe waren fertig und man stellte sie dem Weiberl auf die Bank, daß es sich derselben bediene nach Gefallen; aber das Weiberl fieng an zu schluchzen und zu weinen, weil man seine Bemühungen belohnen wollte, nahm die Schuhe, streifte die Hemdärmelchen wieder vor, entschürzte das Kleidchen, stürzte laut klagend davon und wurde nun und nie wiedergesehen. – Es lebt eine Mutter, deren Mutter noch als Kind im Hause ihrer Eltern war, als sich diese Geschichte zugetragen hat. – Ein anderes Mal soll man wieder eines von den Waschweiberln gefangen haben: das soll aber schlimm, bissig, ganz unverträglich gewesen sein und wenn man ihm die bis an die Ferse reichenden Haare aus dem Gesichte streichen wollte, soll es auf Einen gespien haben, daher ließ man das bissige Weiberl schleunigst wieder frei. (Gebhard, Oesterr. Sag. S. 240.)

Quelle:
Grohmann, Josef Virgil: Sagen-Buch von Böhmen und Mähren. 1: Sagen aus Böhmen, Prag: Calve, 1863, S. 140-142.
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