Das Wasserpferd.

[164] In der Nähe von Kolin ist am Ufer der Elbe eine Wiese. Einmal als das abgemähte Gras darauf gerade in Schobern stand, kamen in der Nacht zwei Taglöhner auf die Wiese und legten sich in die Heuschober, um darin bis zum Morgen zu schlafen. Sie konnten kaum eine Stunde gelegen sein, als es in der Elbe sonderbar rauschte und ein Pferd den Gewässern entstieg, das auf die Heuschober losschritt und dort anfieng zu fressen. Es sprang so schnell von einem Haufen zum andern, daß die Taglöhner ihm kaum mit den Augen folgen konnten. Als aber das Pferd zu dem Haufen kam, wo die Taglöhner lagen, fieng einer von ihnen an zu fluchen und schrie: »Nicht einmal uns kannst du in Ruhe lassen?« Augenblicklich war das Pferd verschwunden. – Auf derselben Wiese soll einmal ein Bauer auf dem Wasserpferde geritten sein. Er hatte es für ein gewöhnliches Pferd gehalten und bestiegen, da es herrenlos herumzulaufen schien. Als er aber damit zu einem Teiche kam, der in der ganzen Gegend für grundlos gilt, sprengte das Pferd schnurstraks auf das Wasser los und kaum, daß es dem Bauer gelungen war, herabzuspringen, stürzte das Pferd in die Fluthen. Eine Stimme aber rief aus dem Wasser: Gut, daß du heruntergesprungen bist, du hättest den Ritt theuer bezahlen müssen! (A. Kröschel aus Kolin.)

Quelle:
Grohmann, Josef Virgil: Sagen-Buch von Böhmen und Mähren. 1: Sagen aus Böhmen, Prag: Calve, 1863, S. 164-165.
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