[136] Rusalky.

Die Rusalky (Nymphen) waren nach dem Glauben der alten Slaven die Göttinnen der Gewässer, namentlich der Flüsse und Bäche, die man sich als junge schöne langhaarige Jungfrauen, welche die Tiefen der Gewässer bewohnten, vorstellte.1 In Weißrußland wohnen die Rusalky inmitten der Flußgewächse. Am Pfingstmontage kommen sie aus den Gewässern und verweilen auf dem Lande bis zum Peterstage. Sie erscheinen als junge Mädchen von wunderbarer Schönheit. Ihre langen meergrünen oder schwarzen Haare sind mit Kränzen geschmückt. So sitzen sie entweder nackt oder in weißen Hemdchen am Ufer und strählen ihre Haare oder sie hüpfen auf die Aeste der Bäume und hängen das Garn aus, das sie im Dorfe gestohlen oder sie schaukeln sich in den Baumzweigen. Wenn sie einen jungen Burschen erblicken, so lächeln sie ihm zu und locken ihn zu sich. Aber wehe dem Unglücklichen, der sich verleiten läßt. So wie er das Mädchen berührt, verwandelt sie ihre Gestalt und der Bursche wird lahm. Auch suchen sie Jünglinge und Jungfrauen durch Kitzeln zu tödten. Deshalb dürfen die Ruthenen die ganze Pfingstwoche hindurch auf keine Stimme im Walde antworten. Die Pfingstwoche war bei den Heiden die Zeit, wo das Fest dieser Göttinnen gefeiert wurde,[136] daher hieß sie auch die Woche der Rusalky und noch in christlicher Zeit wurden an diesen Tagen ihre heidnischen Spiele gefeiert. Jünglinge und Mädchen versammelten sich in nächtlichen Zusammenkünften, und verbrachten die Nacht in Spiel, Tanz und Gesang. Am Morgen giengen sie mit Geschrei zum Flusse und wuschen sich mit Wasser. In Kleinrußland hängt man Lappen, Gewebe und Fäden den Rusalky als Opfer an Eichen auf. Die ganze Woche darf man nicht im Flusse baden oder in die Hände klatschen. Am Donnerstage arbeiten die Mädchen und Weiber nicht, denn es ist die große Nacht der Rusalky (veliká noc Rusalek).

Daß diese Rusalky auch von den alten Böhmen verehrt wurden, geht aus einer Nachricht hervor, die uns der alte böhmische Chronist Cosmas gegeben hat. Hiernach pflegten noch im Jahre 1092 die Bauern in Böhmen am Dienstage und Mittwoch nach Pfingsten Opfer über Quellen darzubringen. Aber auch im heutigen Volksglauben lebt noch das Andenken an die Rusalky in Böhmen.


In der Gegend von Brandeis und Kuttenberg sind die Rusalky Jungfrauen von wunderbarer Schönheit. Sie leben in stehenden Gewässern, in Bächen und bewässerten Wiesen. Sie sind nur halb bekleidet und ihre Kleidung ist entweder weiß oder meergrün. Sie erscheinen nur Mittags oder um Mitternacht. Wenn sie um Mitternacht ihre Wohnung verlassen, so verbreiten sie einen wunderlieblichen Schein um sich. Sie tanzen dann am Ufer der Flüsse und Bäche. Wenn sie am hellen Mittag erscheinen, so sagen die Leute, daß sie Regen verkünden. Oft verlocken sie Jünglinge beim Baden durch[137] ihren wunderbaren Gesang in die Tiefe und ertränken sie dort. In Brandeis glaubt man, daß sie die Wächterinnen derjenigen Seelen seien, welche der Wassermann unter den Töpfen bewahrt. Diese Töpfe vertheidigen sie gegen den Wassermann, wenn dieser einmal eine Seele befreien will, und deshalb sind sie mit dem Wassermann in steter Feindschaft. (R. Čermak aus Prag.)

1

Šafařik, O Rasalkách. Čas. česk. Mus. 1833.

Quelle:
Grohmann, Josef Virgil: Sagen-Buch von Böhmen und Mähren. 1: Sagen aus Böhmen, Prag: Calve, 1863, S. 136-138.
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