Der wunderbare Baum von Schwamberg.

[303] Im nordwestlichen Theile des Pilsener Kreises liegen die Ruinen der alten Burg Krasikov oder Schwamberg; sie soll vor Zeiten ein Schöppensitz der heiligen Vehme gewesen sein. In der Nähe steht ganz vereinzelt ein Baum, dessen Zweige statt naturgemäß aufwärts, abwärts zur Erde gewachsen sind. Einmal wurde nämlich vor den dortigen Schöppenstuhl ein Jüngling gebracht, der eines schweren Verbrechens angeklagt, aber nicht überwiesen war. Den blutigen Vehmrichtern genügte jedoch schon die bloße Beschuldigung und sie sprachen über den Unglücklichen das Todesurtheil.

Der Jüngling im Bewußtsein seiner Unschuld hörte gelassen den grausamen Spruch und trat voll frommer Zuversicht seinen letzten Gang an. Auf dem Wege zur Richtstätte ergriff derselbe plötzlich einen Stab, stieß ihn in die Erde und sprach: So wahr dieser Stab Wurzel fassen und wachsen und blühen wird, so wahr bin ich unschuldig. Doch die Zweige und Aeste, die aus ihm entsprießen werden, sollen sich zur Erde neigen zur ewigen Schmach für meinen ungerechten Richter.

Die Schergen lachten ihm ins Gesicht und beförderten ihn vom Leben zum Tode. Der Stab aber schlug nach dem Ausspruche[303] des Gerichteten Wurzel und wuchs zu einem Baume empor mit zur Erde gekehrten Aesten. (Illustr. Chronik 3, 42.)

Quelle:
Grohmann, Josef Virgil: Sagen-Buch von Böhmen und Mähren. 1: Sagen aus Böhmen, Prag: Calve, 1863, S. 303-304.
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