Die fünf Kapellen.

[306] Wenn man die Strecke zwischen Studena und Chlow durchwandert, sieht man rechts von der Straße einen kleinen Friedhof und an der innern Seite der Kirchhofmauer fünf kleine halb verfallene Kapellen.

Vor vielen Jahrhunderten hauste in dieser Gegend ein gar wilder Jäger, der gegen Jedermann grausam war. Seine[306] Frau Ludmilla war dagegen fromm und tugendhaft. Eines Tages, als der Mann wieder im Walde war, gieng seine Frau hinaus, um Gaben unter die Armen zu vertheilen. Plötzlich hörte sie Pferdegetrapp und Hundegebelle, ihr Mann war zurückgekommen. Als er die Bettler sah, gerieth er in Zorn, daß er sie schlug und mit Hunden zum Hofe hinausjagte. Da verfinsterte sich der Himmel, in Gegenwart seines Hofgesindes verschwand der Jäger und Niemand sah ihn wieder. Seine Gattin beweinte ihn durch viele, viele Tage, da träumte ihr einmal, sie würde ihren Gatten wieder sehen, wenn sie auf dem Friedhofe fünf Kapellen erbaute. Die baute sie zwar auf, aber den Gatten hat Ludmilla doch nicht mehr zu Gesicht bekommen. (L. Pick aus Studena.)

Quelle:
Grohmann, Josef Virgil: Sagen-Buch von Böhmen und Mähren. 1: Sagen aus Böhmen, Prag: Calve, 1863, S. 306-307.
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