Die Hasenburg.

[49] Am Fuße des Hasenberges hüteten einst mehrere Kuhhirten ihr Vieh. Sie wußten nicht, was sie zum Zeitvertreib machen sollten; da kam einer von ihnen auf den Gedanken, nachzuforschen, wie doch das Innere der Burg und des Berges beschaffen sei. Es sollte gelost werden, wer sich in den Berg herablassen solle. Alle willigten ein, nur einer nicht. Aber gerade diesen traf das Loos und da er die Drohungen seiner Kameraden fürchtete und einsah, daß kein Widerstreben helfe, fügte er sich und ließ sich an einem Seile hinunter. Die andern standen oben, und sagten ihm, daß er nur an dem Seile rücken solle, sobald er wieder herauf zu kommen wünsche. Allein der Hirte war schon eine lange Zeit unten und noch immer gab er kein Zeichen zum Heraufziehen. Die oben standen, schrien hinunter, allein niemand gab Antwort und so blieb ihnen nichts übrig, als am Abende ohne ihren Gefährten heimzutreiben.

Am andern Morgen, als sie wieder im Begriffe waren, ihre Kühe auf die Weide zu führen, kam ihnen ihr Gefährte[49] entgegen und zeigte ihnen schon von weitem eine ganze Hand voll blanker Goldstücke. Als er bei ihnen anlangte, erzählte er Folgendes: »Wie ich in die Höhle kam, sah ich vor mir eine schneeweiße Frau, die bei einem Haufen blanker Goldstücke saß. Sie fragte mich über Alles aus, und hieß mich alsdann mir die Tasche mit Gold anzufüllen. Dann verschwand Alles und ich erwachte am Gipfel des Berges wie aus tiefem Schlafe.«

Als die andern das vernahmen, wollte jeder in den Berg steigen und jeder der erste sein. Endlich vereinigten sie sich dahin, daß der, der zuerst auf den Gedanken gekommen war, in das Innere des Berges hinabgelassen würde. So geschah es auch, aber er ist nie wieder zum Vorschein gekommen. (J. Bauer.)

Quelle:
Grohmann, Josef Virgil: Sagen-Buch von Böhmen und Mähren. 1: Sagen aus Böhmen, Prag: Calve, 1863, S. 49-50.
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