Die weiße Frau bei Mušic.

[40] Nördlich vom Dorfe Mušic ist ein Fasangarten, in dessen Mitte ein anmuthiger Weideplatz, den ein Bächlein durchrauscht. An dem Ufer des Bächleins stehen Trauerweiden, die ihre Zweige bis zum Wasser hinabneigen.

Einst giengen zwei junge Leute um Mitternacht an dem Weideplatze vorüber und bemerkten eine weiße Frau, welche am Ufer des Bächleins auf und abgieng. Wie diese die beiden Nachtschwärmer bemerkte, gieng sie auf dieselben zu, die aber entflohen. Es wird erzählt, die weiße Frau habe die beiden Müssiggänger belehren wollen. Als man am andern Morgen den Platz besichtigte, fand man an der Stelle, wo die weiße Frau herumgegangen war. einen abgetretenen Weg, es führte aber derselbe weder aus dem Fasangarten, noch in denselben.

Diesen Weideplatz hat man schon einmal mit Waldbäumen bepflanzen wollen, es sind aber alle Setzlinge vertrocknet, nur[40] die Trauerweiden an den Ufern des Baches wollen gedeihen. Man glaubt auch, daß diejenigen Bäume, die an den Weideplatz angränzen, langsam verdorren werden und so mit der Zeit der ganze Fasangarten, und dann erst, wenn diese Zeit gekommen ist, wird die weiße Frau aufhören in der Nacht hier umzugehen. (Jakob Jentsch aus Prag.)

Quelle:
Grohmann, Josef Virgil: Sagen-Buch von Böhmen und Mähren. 1: Sagen aus Böhmen, Prag: Calve, 1863, S. 40-41.
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