[140] 43. Der Bauer und der Bär

Ein Mann pflanzte Rüben neben dem Weg an den Waldrand. Da kam ein Bär zu ihm. »Was machst du denn da, Mann?« – »Ich pflanze Rüben.« – »Mann, ich fresse dir deine Rüben.« – »Wenn du es kannst, friß sie, wenn du's nicht kannst, sag so was nicht.« Und der Bauer fragte: »Nimmst du das, was auf der Erde, oder das, was unter der Erde ist?« Da sagte der Bär: »Ich nehme, was auf der Erde ist.« Nun, der Mann ging hin und zog die Rüben aus, denn die Rüben waren ausgewachsen. Er fuhr seine Rüben ein, aber die Stengel ließ er liegen. Der Bär kam und sah, daß die Rüben alle verschwunden waren. Da sprach er: »Du gottloser Mensch, dich führ' ich auch noch an.«

Der Mann säte auf den andern Acker neben dem Weg Hafer. Der Bär kam: »Was machst du denn da, Mann?« – »Ich säe Hafer.« – »Ich fresse dir deinen Hafer«, sagte der Bär. »Wenn du es kannst«, sprach der Bauer, »so friß ihn. Nimmst du, was auf der Erde oder was unter der Erde ist?« Da antwortete der Bär: »Ich nehme diesmal, was in der Erde ist.« Nun, der Mann ging hin und schnitt den Hafer, und dem Bären ließ er die Stoppeln. Der Bär kam und sah, daß bloß noch die Stoppeln da waren. »Ach, du! Wie er mich angeschmiert hat«, sagte er.

Für den Bären war da nichts mehr zu holen. »Jetzt gehe ich hin und sage zu ihm: ›Ich fresse dir den ganzen Hafer von der Tenne‹«, sprach der Bär. Und er kam zur Tenne, als der Mann drosch. Und der Mann fragte ihn: »Nimmst du den größeren Haufen oder den kleineren?« Der Bär antwortete: »Ich nehme den größeren.« Da trug der Mann den Hafer nach Hause und die Spreu ließ er dem Bären. »Ach, du gottloser Mensch!« brüllte der Bär. »Schon wieder hat er mich betrogen. Ich stehle ihm jetzt sein Pferd und fresse es auf.«[140]

Der Mann ging in den Wald, um Holz zu holen. Da kam der Bär zu ihm. »Heda! Mann! Ich hole mir dein Pferd und fresse es auf.« – »Du mir?« sagte der Mann. »Dreimal hast du mich schon angeführt.« Da schnalzte ein Hase im Walde. Der Bär fragte: »Was war denn das?« Da sprach der Mann: »Ein Jäger, der kommt zur rechten Zeit, um dich zu schießen.« – »Sagte er was?« fragte der Bär. »Er rief: ›Heda! Mann! Was ist denn das neben Euch?‹« – »Sag: ›Ein Baumstumpf‹«, sprach der Bär. Der Hase schnalzte wieder im Laub. »Was sagt er denn jetzt?« – »Warum lädst du ihn nicht auf den Wagen?« Da sagte der Bär: »Heb mich auf den Wagen.« Der Mann hob den Bär auf den Wagen. Wieder schnalzte der Hase im Gebüsch. »Und was will er jetzt?« fragte der Bär. »›Warum bindest du ihn nicht mit dem Strick fest?‹ fragte er.« Und der Bär sprach: »So bind mich doch fest!« Da zog der Mann den Strick so fest, daß der Bär nicht mehr fort konnte. Der Hase schnalzte immer noch im Wald. »Er sagt: ›Warum schlägst du ihn nicht mit der Axt vor den Kopf?‹« – »Schlag ihn mit der Axt vor den Kopf.« Das tat der Mann, und der Bär war auf der Stelle tot. Dann fuhr er ihn nach Hause und machte sich aus seinem Fell einen Pelz.

Quelle:
Löwis of Menar, August von: Finnische und estnische Volksmärchen. Jena: Eugen Diederichs, 1922, S. 140-141.
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