13.
Von dem Mädchen, das ausging ihre Brüder zu suchen.
(Aus Ilomants.)

[107] In einem Hause lebten ein Mann und eine Frau. Sie hatten bereits neun Söhne und noch keine einzige Tochter. Desshalb zürnten die Knaben ihren Eltern, weil diese ihnen keine Schwester schenkten, und als die Mutter wieder einmal schwanger ward, verliessen die Söhne das Haus, aus Furcht, es könnte wieder ein Knabe geboren werden. Sie flüchteten weit fort in einen Wald, wo sie sich selber ein Haus erbauten. Aber es ward ihnen recht schwer ohne Wirthin zurecht zu kommen, und da die Mutter schwanger war, als die Söhne fortgingen, machte sich nach einiger Zeit der eine der Knaben auf und begab sich in sein altes Heim, um zu sehen, was dort derweilen angekommen war, ob Töchter oder wieder Söhne. Die Mutter hatte jedoch noch nichts geboren, und der Sohn kehrte gleich wieder in seinen Wald zurück; beim Abschied sagte er zur Mutter: »Sobald du das Kind geboren haben wirst, thue ein Zeichen an die Hausthür: ist es ein Mädchen, dann stelle eine Spindel hinaus; doch ist es ein Knabe, dann thue einen Beilschaft zum Zeichen hin. Wenn ich herkomme und den Beilschaft sehe, werde ich gar nicht in die Stube hineintreten, sondern sofort umkehren. Sehe ich aber die Spindel, dann will ich euch im Hause begrüssen und euch alle mit[107] mir nehmen, den Vater, die Mutter, die Schwester und Alles.«

In derselben Nacht gebar die Frau eine Tochter, und die Spindel wurde zum Zeichen an die Thür gestellt, wie es verabredet worden war; doch in der Nacht kam eine Hexe heran und that einen Beilschaft an die Stelle der Spindel hin. Die Brüder beriethen sich unterdessen miteinander, und einer wurde ausgesandt, nach dem verabredeten Zeichen auszuschauen. Als er in den Hof trat und den Beilschaft an der Hausthür sah, ward er sehr zornig, begrüsste nicht einmal seine Eltern, sondern eilte zu seinen Brüdern zurück und sagte ihnen, wie es stand. Seitdem hörte man nichts mehr von den Knaben, sie lebten für sich in dem Walde; aber die Eltern wohnten wie ehedem in ihrem Hause mit ihrem Töchterlein. Das Mädchen war bereits erwachsen, als ihr die Mutter einst erzählte, wie ihre neun Brüder durch den Betrug der Hexe für immer vom Hause fort geblieben waren. Da ward das Herz der Schwester tief betrübt; das arme Mädchen musste unaufhaltsam um ihre Brüder weinen und weinte vom Abend bis zum Morgen, und nichts konnte ihr Leid mildern. Die Mutter versuchte auf alle Weise sie zu trösten, aber der Gram wich nicht aus dem Herzen des Mädchens; sie weinte nur immerfort und war traurig. Endlich, als gar nichts half, liess die Mutter die Thränen des Mädchens in ein Gefäss rinnen, mengte Mehl dazu und machte daraus ein Brot; dann sagte sie zu der Tochter: »Weine keine Woche länger, meine Tochter! Wenn du nur einen treuen Gefährten hättest, könntest du ja ausziehen um deine Brüder zu suchen.«

Das Mädchen besass einen Hund, der Pilkka (Fleckchen) hiess und seiner Herrin überaus treu war, sodass er ihr überallhin folgte; und das Mädchen bat die Mutter: »Lass mich doch suchen gehen, Mütterlein; mein Hund, Pilkka,[108] ist ein genügender Begleiter.« Nun, da die Mutter sich nicht anders zu helfen wusste, gab sie der Tochter ihren Segen zur Reise und übergab ihr das aus den Thränen bereitete Brot mit der Weisung, dass das Mädchen es vor sich hinrollen lassen sollte, es würde ihr auf die Weise den Weg zeigen.

Nun machte sich das Mädchen mit seinem Hunde auf die Wanderung, liess das Thränenbrot vor sich hinrollen und sagte, indem es dasselbe antrieb:


»Rolle, rolle, du mein Brötchen!

Zu meinen Brüdern, zu den neunen,

Die einem Mutterschooss entsprossen!«


Sie folgte dem Brote und war noch nicht weit gekommen, als sie der Hexe begegnete, die sich ihr zugesellte. Eine Strecke mochten sie miteinander gegangen sein, da ward es den Beiden schwül, denn es war eine rechte Sommerhitze, und das Wandern ward ihnen schwer. Sie bemerkten in der Nähe einen Teich, und die Hexe sagte zum Mädchen: »Lass uns baden, liebes Mädchen; es ist glühend heiss!« Das Mädchen war gern dazu bereit, doch Pilkka hielt sie zurück und sagte: »Thue es nicht, liebes Mädchen, die Hexe betrügt dich!« Das Mädchen folgte der Warnung ihres Hündchens und das Baden unterblieb. Darüber ward die Hexe so zornig, dass sie dem Hunde einen Fusstritt gab, sodass dem armen Pilkka ein Bein zerbrach. Dem Mädchen that der Hund herzlich leid, aber sie fürchtete sich vor der Hexe und wagte nichts zu sagen; sie liess ihr Brot dahinrollen und sprach:


»Rolle, rolle, du mein Brötchen,

Zu meinen Brüdern, zu den neunen,

Die einem Mutterschooss entsprossen.«


Das Brot rollte dahin, und das Mädchen folgte ihm mit der Hexe; auch Pilkka wollte sich nicht von ihnen trennen und hinkte auf drei Beinen nach. Nach einiger Zeit kam man wieder an das Ufer eines Teiches und die Hexe redete[109] dem Mädchen zu: »Komm doch, liebes Mädchen, lass uns die heissen Glieder baden; nachher wandert es sich um so leichter.« Das Mädchen wollte es thun, doch Pilkka warnte seine Herrin und sagte: »Bade nicht, liebes Mädchen, die Hexe betrügt dich.« Das Mädchen folgte den Worten des Hundes und badete nicht; die Hexe ward darüber ganz wüthend, und da sie sonst nichts thun konnte, gab sie dem Hunde einen Fusstritt, dass ihm das zweite Bein zerbrach. Das that dem Mädchen von Herzen weh, aber sie konnte nichts gegen die Hexe anfangen; so liess sie denn ihr Brot weiterrollen und sprach:


»Rolle, rolle, du mein Brötchen,

Zu meinen Brüdern, zu den neunen,

Die einem Mutterschooss entsprossen!«


Und man folgte dem Brote. Die Hexe glaubte nun Pilkka los zu sein, aber der Hund lief seiner Herrin auf zwei Beinen nach und sagte zu ihr: »Sollte meine Zeit um sein und müsste ich sterben, so bitte ich dich, liebes Mädchen, bade nicht mit der Hexe, sie will dich verderben.« Nach kurzer Zeit, als sie wieder an einen Teich kamen, sagte die Hexe zum Mädchen: »Lass uns doch endlich baden, liebes Mädchen, es ist ja glühend heiss!« Doch das Mädchen gedachte der Warnung ihres Hundes und wollte nicht mitgehen, sodass das Baden unterbleiben musste. Die Hexe ward so wüthend darüber, dass sie dem Pilkka auch das dritte Bein zerschlug, um ihn aus dem Wege zu räumen; aber der Hund hüpfte auch auf dem einen Beine seiner Herrin nach, und als man an den vierten Teich gelangte, verhinderte er wiederum das Baden. Nun ward die Hexe ganz sinnlos vor Wuth, ergriff einen Knüppel und schlug damit den Hund, dass er todt hinfiel. Das Mädchen konnte ihrem armen Hunde nicht helfen, sie fürchtete sich selber vor der Hexe und liess traurig ihr Thränenbrot dahinrollen; und die Beiden wanderten weiter. Nachdem sie eine Strecke[110] gegangen waren, kamen sie wieder an einen kleinen Teich, und die Hexe beredete mit Schmeichelworten das Mädchen zum Baden; es sei doch zu heiss. Dem Mädchen war die Hitze nachgerade auch lästig geworden; ihr getreuer Warner, Pilkka, war nicht mehr zugegen, so vergass das Mädchen alle Vorsicht, entkleidete sich am Ufer und folgte der Hexe in den Teich. Als die Beiden einander entgegenschwammen, sagte die Hexe zum Mädchen: »Spritze mir Wasser in die Augen, und ich will dir welches in die Augen spritzen.« – Dem Mädchen war solches gar nicht nach dem Sinn, aber die Hexe liess ihr keine Ruhe, bis sie ihr den Willen that. Nun spritzte auch die Hexe in die Augen des Mädchens und sagte: »Mir dein Aussehen, dir mein Aussehen!« – das Mädchen war nämlich zart und schön und die Hexe hässlich und widerlich, wie die Hexen sind. Da ward das Mädchen plötzlich garstig wie die Hexe, diese dagegen nahm des Mädchens Gestalt an und ward hold und schön. Dazu raubte sie dem Mädchen Sinn und Sprache, damit sie nicht durch dasselbe verrathen werden könnte, dann wanderte sie nach dem Bade mit dem Mädchen weiter. Sie liess das Thränenbrot rollen und sprach die Worte, die sie vom Mädchen gehört hatte:


»Rolle, rolle, du mein Brötchen,

Zu meinen Brüdern, zu den neunen,

Die einem Mutterschooss entsprossen!«


Das Brot rollte immer weiter, bis es an die Behausung der Brüder kam, wo es auf dem Hofe stille stand. Die Hexe steckte es nun zu sich und trat mit dem Mädchen in die Stube. Sie sassen eine Weile drin, da fragten die Brüder: »Woher sind die Fremden?« – Das Mädchen hätte ihnen gern Alles erklärt, aber das arme Ding war ja sprachlos und ohne Verstand und musste stumm dasitzen. Die Hexe, welche des Mädchens schöne Gestalt hatte, antwortete statt ihrer auf die Frage und sagte: »Ich grüsse euch, liebe[111] Brüder! Ich bin ja eure Schwester, der Mutter zehntes Kind, das ihr noch gar nicht kennt.« Darüber erstaunten die Brüder und riefen: »Nun, wesshalb stand denn ein Beilschaft an der Thür, wenn die Mutter doch eine Tochter geboren hatte?« – »Der war vertauscht worden,« erklärte die Hexe, »wer weiss, welcher Böse wicht das gethan haben mag! Die Mutter hatte eine Spindel zum Zeichen aufgestellt, aber in der Nacht ist von andern Leuten ein Beilschaft hingethan worden. Seit ich erwachsen bin und von der Mutter erfahren habe, dass euch ein Betrug für immer aus dem Hause getrieben hat, ist das Verlangen meine Brüder zu sehen immer stärker geworden, und ich habe die Mutter so lange gebeten, bis sie mir erlaubt hat, euch zu suchen. Die Thränen, die ich in meiner Sehnsucht nach euch geweint habe, die hat meine Mutter in ein Gefäss gesammelt und mit Mehl ein Brot daraus gebacken, welches sie mich vor mir her rollen hiess, damit es mir den Weg zeige. Ich that also und bin endlich zu euch gelangt, und hier ist das Brot, das unsere Mutter gebacken hat; nehmt es, liebe Brüder!«

Also log die Hexe, und die Brüder glaubten ihr, dass sie ihre Schwester sei, und begrüssten sie als solche. Darauf fragten sie: »Warum hast du das garstig aussehende Mädchen mitgebracht?« – »Ach, in einem grossen Hauswesen kann sie doch vielleicht als Hirtin genügen«, meinte die Hexe, und weiter war von dem Mädchen nicht mehr die Rede. Das arme Ding grämte sich, dass sie nicht ihre Brüder begrüssen konnte; aber was sollte sie thun? Sinn und Sprache versagten ihr den Dienst, und sie musste nur mit anhören, was die Hexe zusammenlog.

Letztere begann nun im Hause der Brüder zu wirthschaften, als wäre es ihr eignes Heim. Die rechte Schwester dagegen musste den ganzen langen Tag im Walde das Vieh hüten und allerlei Mühsal ertragen. Früh Morgens[112] begleitete die Hexe das Mädchen bis über den Weg und gab ihr dann Sinn und Sprache wieder, damit sie im stande sei das Vieh zu hüten; am Abend ging ihr die Hexe entgegen und raubte ihr Sinn und Sprache aufs neue. In dieser Weise lebte das Mädchen lange Zeit im Hause der Brüder, und die Hexe suchte ihr Böses zu thun, so viel sie konnte. Wenn sie ein Hirtenbrötchen backte, so that sie stets einen Stein in die Mitte und nur ein wenig Teig darüber, das gab sie dem Mädchen mit in den Wald. – Um so bessere Tage hatte die Hexe selber. Da sie des Mädchens frühere schöne Gestalt hatte, hüteten sie die Brüder wie ihren Augapfel und befriedigten ihr jeden Wunsch, den sie erfüllen konnten. Aber das Hirtenmädchen, das so garstig aussah, hätten sie am liebsten gar nicht im Hause gelitten, wenn nicht die Hexe sie behalten hätte, um sie zu quälen. Während der Nacht, die sie im Hause zubrachte, war das Mädchen stets sinn- und sprachlos und konnte nichts beginnen; doch auf der Weide hatte sie ihre vollen Sinne wieder, wie früher. Dann klagte sie über ihr Unglück und sang in ihrem Leide:


»Walle, Sonne, hinter's Kiefricht,

Senk' dich, Goldne, hinter's Birkicht,

Hinter Tannen magst du bleiben,

Lass die Hirtin heimwärts treiben!

Ach, die Hexe ist mir Herrin,

Böses Weib des Hauses Wirthin!

That ins Brot mir eitel Steine,

Kiesel in das Brot, das eine!

Stumpf mein Messer ward vom Steine.

Ach, ihr Brüder all, ihr neune,

Einem Mutterschooss entsprossen!«


Oft, wenn die Brüder draussen arbeiteten, hörten sie dieses Lied von der Wiese herüberklingen und wunderten sich, dass das Hirtenmädchen im Walde immer sang, obgleich sie daheim nie ein Wort sprach; doch fragten sie[113] nicht weiter danach, da ihnen das Mädchen so garstig vorkam, dass sie dasselbe kaum in ihrer Nähe dulden mochten. Eines Abends jedoch, als die Luft klar und ruhig war, klang das Lied so schön und lockend zu dem jüngsten Bruder herüber, der im Walde mit Baumfällen beschäftigt war, dass er der Lust nicht widerstehen konnte zu sehen, ob es wirklich das Hirtenmädchen sei, das mit so lieblicher Stimme sang. Er liess die Arbeit sein und ging dem Laut der Stimme nach. Bald fand er das singende Mädchen in einer Waldlichtung und fragte dasselbe: »Sage mir, Mägdlein, warum singst du stets im Walde vor dich hin, und daheim sprichst du kein Wort?« – »Ach, ich bin ja eure rechte Schwester!« antwortete das Mädchen. »Die ihr dafür haltet, ist eine Hexe. Durch Betrug hat sie meine Gestalt angenommen und mir dafür die ihrige gegeben; dazu hat sie mir Sinn und Sprache geraubt, damit ich nichts verrathen könnte. Wenn sie mich in den Wald schickt, giebt sie mir stets Sinn und Sprache wieder, damit ich das Vieh hüten kann; aber des Abends geht sie mir entgegen und macht mich aufs neue stumm und dumm.«

Als der Bruder die Rede des Mädchens hörte, erkannte er dasselbe als seine Schwester und sah den Betrug der Hexe ein. Er umarmte und küsste das Mädchen, wie man es einer Schwester zu thun pflegt, obgleich die Arme noch garstig genug aussah; dann lief er hin, die anderen Brüder zu rufen. Bald waren sie alle beisammen, und das Mädchen erzählte aufs neue, was sie erlebt, wie die Hexe sie betrogen und seitdem auf jede Weise gequält hatte. Freudig begrüssten nun die Brüder ihre Schwester, bemitleideten sie, dass sie um ihretwillen so viel Unglück und Ungemach hatte erdulden müssen, und gelobten, sie an der Hexe zu rächen. Zuerst beriethen sie sich jedoch, wie die Schwester wohl ihre frühere Gestalt wiedererlangen könnte, und wie man das verhindern sollte, dass ihr die Hexe bei der Heimkehr[114] Sinn und Sprache raube. Zuletzt fiel ihnen der Ausweg ein, dass die Schwester mitten am Tage heimkehren sollte; die Augen müsste sie bedecken und klagen, dass sie krank wäre. Dann würden ihr die Brüder zu Hülfe kommen und die Hexe entlarven.

Das Mädchen that, wie verabredet war. Sie kehrte an dem Tage so früh heim, dass die Hexe nicht Zeit hatte, ihr entgegenzugehen, und so gelangte das Mädchen bei vollen Sinnen in das Haus. Dort fuhr die Hexe sie zornig an: »Warum kommst du mitten am Tage von der Weide?« – »Ich hielt es nicht mehr aus im Walde, meine Augen schmerzen so sehr!« antwortete das Mädchen und klagte trauervoll. In dem Augenblick traten auch die Brüder in die Stube, bemitleideten das Mädchen zum Scheine und sagten zur Hexe: »Speie doch, Schwesterlein, auf die Augen der armen Hirtin, damit sie genese und ihre Arbeit verrichten könne!« Die Hexe wagte nicht ihre Bosheit vor den Andern zu zeigen; sie musste thun, was die Brüder verlangten, und spie auf des Mädchens Augen. Das Mädchen war aber auf der Hut und sagte zugleich: »Dein eignes Aussehen dir, mein Aussehen mir!« und sofort hatte sie ihre frühere Gestalt wieder und ward so zart und schön wie ehedem; die Hexe dagegen ward hässlich und widerlich, wie sie es von jeher gewesen.

Nun sann man über eine Strafe nach, die über die Hexe verhängt werden sollte. Man heizte eine Badstube und grub an der Schwelle eine Grube, die mit glühendem Theer gefüllt wurde; darüber wurden Bretter gelegt, welche nur so lange halten sollten, bis das Feuer sie durchgebrannt hatte. Ueber den Weg und über die Schwelle deckte man schwarzen Filz, damit der Betrug nicht gleich zu merken wäre. Nachdem das geschehen war, gingen die zwei ältesten Brüder hin, die Hexe zum Baden abzuholen, wie man es einer Schwester zu thun pflegt. Die Hexe wollte jedoch[115] nicht dran und meinte, sie habe keine Lust zu baden. Die Brüder beredeten sie nun so lange, bis sie endlich mit ihnen ging; die Beiden führten sie am Arm über die Filzdecke. Als sie an die Badstubenthür kamen, wollte die Hexe nicht über die Schwelle gehen und sagte: »Ich will von hier aus an den Ofen, und von dort auf die Badebank springen.« Aber die Beiden hielten sie zurück und baten: »Schreite, du unsere einzige Schwester, zierlich trippelnd über die ausgespannte schwarze Filzdecke!« Da that ihnen die Hexe zu Willen. Als sie zwischen ihren Begleitern langsam dahinschritt, gab das Brett unter ihr nach, und die Hexe stürzte ins feurige Grab. Zugleich warfen die Brüder von aussen die Thür zu, und die Badstube gerieth in Brand. Mitten aus der Gluth schrie die Hexe noch einmal auf: »An meine Statt mögen kommen: Heuschrecken aus meinen Augen, Raben aus meinen Ohren, Elstern aus meinen Haaren, Krähen aus meinen Fusszehen, den Menschen zum Verderben, zum Schaden an ihrem Eigenthum.« – So weit die Geschichte.

Quelle:
Schreck, Emmy: Finnische Märchen. Weimar: Hermann Böhlau, 1887, S. 107-116.
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