3.
Hase, Wolf, Fuchs und Bär in der Fanggrube.
(Aus Toksova.)

[223] Der Bauer hatte eine tiefe Fanggrube für Hasen, Wölfe, Füchse und Bären gegraben und Aas als Lockspeise hineingeworfen. Alle die genannten Thiere fanden sich auch zu dem Frasse ein und fielen sämmtlich in die Grube. Jetzt war guter Rath theuer! Da sie nicht herauskonnten, fanden sie, dass Ruhe vorläufig das Beste sei. Nachdem sie eine Weile geschlafen hatten, erwachten sie, und da sie Hunger fühlten, sagte der Eine: »Was werden wir jetzt hier fressen?«

Der Fuchs schielte zum Hasen hinüber und sagte zu den Andern: »Lasst uns erst das Glotzauge da verzehren, das Weitere wird sich finden.«

»Ja, ja, lasst uns den Hasen fressen!« riefen die Andern, und im Nu war der Hase verschlungen. Dann legten sie sich wieder schlafen; aber nach einer Weile erwachten sie wieder, und die Frage entstand aufs neue: »Was fressen wir jetzt? Der Hunger ist da.« Des Fuchses Augen streiften den Wolf, und er sagte zum Bären: »Lass uns den Haarbalg da fressen!«[223]

»Ja, ja, wir wollen ihn fressen!« rief der Bär, und der Wolf war auch bald verzehrt; danach legten sich Fuchs und Bär wieder zur Ruhe. Aber während Letzterer schlief, stand der Fuchs leise auf und steckte die Eingeweide des Wolfes unter seinen Leib, worauf er auch einschlummerte. Als nun der Bär erwachte und an den Fuchs die Frage richtete: »Was fressen wir jetzt? Der Hunger ist da«, zog der Fuchs das Wolfseingeweide unter seinem Leibe hervor und sagte: »Friss deine eigenen Eingeweide; ich habe mir selber den Bauch aufgerissen, thue du desgleichen.«

Der Bär befolgte den Rath; aber als er sich den Leib aufriss und anfing sein eigenes Eingeweide zu schlingen, da traf ihn der Tod. Der Fuchs frass nun allein und in Ruhe die Ueberreste des Wolfes und lebte, so gut es eben ging. Endlich kam der Eigenthümer der Fanggrube heran um zu sehen, ob sich drin was gefangen habe. Da stellte sich der Fuchs todt, und als der Bauer sich dadurch täuschen liess und ihn zur Seite warf, huschte Michel blitzesschnell in den Wald und rettete dadurch sein Leben. So lang ist's.

Quelle:
Schreck, Emmy: Finnische Märchen. Weimar: Hermann Böhlau, 1887, S. 223-224.
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