28. Eselshaut

[115] Es war einmal ein Mann, dessen Frau starb. Einige Zeit darauf sagte er zu seiner Tochter, welche schon erwachsen war: »Du wirst dich mit mir verheiraten!« »Nein!« entgegnete sie. »Ich werde dir ein Kleid aus Sternenfarbe machen lassen.« »Nein, ich will nicht!« »Ich werde dir ein Kleid aus Sonnenfarbe machen lassen.« »Nein!« »Ich werde dir eine Truhe kaufen.« Das Mädchen sagte nun, das wollte sie gern; aber sie dachte nur daran, zu entfliehen. Sie nahm ihre schönsten Kleider und legte sie in die Truhe, welche ihr überall hin folgte, zu Wasser so gut wie zu Lande. Sie verließ ihren Vater und fand einen geschundenen Esel, dessen Haut sie mitnahm und um ihre Gewänder hüllte. Sie kam auf einen Bauernhof und fragte, ob man nicht eine Gänsehirtin brauchte. »Doch!« erwiderte man ihr, und man gab ihr die Gänse, um sie aufs Feld zu treiben. An der Stelle, wo sie ihre Tiere weiden ließ, stand eine kleine Hütte, die der Hirtin bei Regenwetter Schutz gewährte, und in diese stellte sie die Truhe, welche ihre guten Kleider barg. Eines Tages kam ihr das Gelüste, sich als Fräulein zu kleiden, und als der Sohn des Hauses kam, sie[115] zum Essen zu rufen, da sah er die »Eselshaut« – denn so nannte man sie – angetan mit ihren schönsten Gewändern, in der Hütte. Er verliebte sich in die Hirtin und erklärte seiner Mutter, daß er sie heiraten wolle. »Nein!« sagte seine Mutter, »du wirst dieses Mädchen nicht ehelichen, von dem du nicht einmal weißt, woher es stammt. Es kann nicht spinnen noch stricken, nicht Zimmer putzen noch Essen kochen.« »Doch, Mutter, ich will sie heiraten. Übrigens ist sie vielleicht tüchtiger als Ihr glaubt.« »Wir werden schon sehen«, sagte die Mutter.

Man ließ Eselshaut kommen und sagte ihr, wenn sie den Flachs, den man in ihr Zimmer lege, spinnen könne, so möge sie den Sohn des Hauses heiraten. Als sie allein war, weinte sie, anstatt zu arbeiten, denn sie hatte das Spinnen nie gelernt. Da sah sie eine große gute Frau durch den Kamin herabsteigen, die hatte gewaltig große Augen und sprach zu ihr: »Was hast du da zu tun, mein liebes Hirtenmädchen?« »Zu spinnen, aber ich kann es nicht!« »Was gibst du mir, wenn ich deine Arbeit mache?« »Ich gebe Euch den Löffel Suppe, den man mir zum Essen gebracht hat, denn das ist alles, was ich habe.« »Nein,« sagte die Frau mit den großen Augen, »behalte deinen Löffel Suppe, ich will deine Arbeit machen, wenn du mir versprechen willst, mich zu deiner Hochzeit zu laden.« Eselshaut versprach es, und in kurzer Zeit war der ganze Flachs zu Fäden gesponnen, und als der Sohn des Hauses kam, um ihr das Abendessen zu bringen, war alles fertig.

Am folgenden Tage schloß man sie wieder in das nämliche Zimmer ein und gab ihr Wolle und Stricknadeln, damit sollte sie Strümpfe stricken; aber sie war noch mutloser als das erstemal, und als der junge Mann kam, um ihr das Essen zu bringen, hatte sie ihre Arbeit noch nicht einmal angerührt. Da sah sie wieder eine große gute Frau durch den Kamin herabsteigen, die hatte gewaltig lange Ohren. Sie sagte zu Eselshaut: »Was gibst du mir, liebes Kind, wenn ich deine Wolle stricke?« »Ich gebe Euch mein Mittagessen.« »Nein,[116] behalte es für dich und versprich mir nur, mich zu deiner Hochzeit zu laden.« »Ja, gern, wenn der Haussohn mich heiratet.« Das Geschäft war bald beendet und am Abend fand die Dienstherrin der Eselshaut eine sehr sorgfältig ausgeführte Strickarbeit vor.

Am dritten Tage sperrte man sie in das Zimmer, damit sie dort die Küchenarbeit täte, aber als der Haussohn kam, um ihr das Essen zu bringen, hatte sie noch nicht einmal angefangen. Da sah sie wieder eine gute Frau durch den Kamin herabsteigen, die hatte gewaltig lange Zähne. »Was machst du da, mein liebes Hirtenmädchen?« »Man hat mich hierhergestellt, damit ich kochen soll, aber ich kann es nicht!« »Was gibst du mir, wenn ich deine Arbeit mache?« »Das Brot von meinem Essen und alle Speise, die man mir gebracht hat.« »Das brauche ich nicht. Versprich mir nur, mich zu deiner Hochzeit einzuladen.« Als Eselshaut die gute Frau versichert hatte, daß sie sich wohl hüten werde, sie zu vergessen, da war das Fleisch in kurzer Zeit fertig und sehr gut gekocht.

Am nächsten Tage trug man ihr auf, die Stuben zu kehren, aber am Mittag hatte sie noch nicht einmal angefangen. Da sah sie durch den Kamin einen großen Mann herabsteigen, dem hing ein großer Besen am Hintern. »Was machst du da, mein liebes Hirtenmädchen?« sagte er. »Man hat mich hierhergestellt, damit ich kehren soll, aber ich kann es nicht!« »Was willst du mir geben, wenn ich deine Stube kehre?« »Hier ist mein kärgliches Mahl, nehmt es!« »Nein, aber versprich mir, mich zu deiner Hochzeit zu laden.« »Ja, Herr, wenn ich mich verheirate.« Als die Dienstherrin und ihr Sohn am Abend kamen, fanden sie die Stuben gekehrt und gut gesäubert, und da die Proben bestanden waren, sagte die Mutter des Burschen, daß sie nichts dagegen habe, wenn ihr Sohn die Eselshaut heirate.

Am Hochzeitsmorgen zog diese ihre besten Kleider an, und da sie an ihr Versprechen dachte, rief sie. »Frau Rundauge, herbei! Frau Langohr, kommt zur Hochzeit! Frau Spitzzahn,[117] erscheint zum Fest!« Und die drei Frauen erschienen alsogleich. Als man sich zu Tisch setzen wollte, sagte Eselshaut: »Ach! Ich habe nicht daran gedacht, den Biedermann zu rufen!« In diesem Augenblick kam der gute Mann, dem der Besen am Hintern hing, und sprach: »Es war Zeit, daß du mich riefest, sonst hättest du nicht heiraten können!«

Quelle:
FR-Märchen Bd.2, S. CXV115-CXVIII118.
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