Das Mädchen und seine drei Freier

[231] Es war einmal ein Mädchen, welches drei Freier hatte; es liebte sie aber nicht, weder den einen noch die andern. Eines Tages ging sie beichten. Auf dem Heimwege traf sie einen ihrer Freier. Sobald sie ihn bemerkte, begann sie so die Zerknirschte zu spielen und so trostlos dreinzuschauen, als ob sie gewaltigen Kummer habe. »Nun, was hast du denn, meine liebe Freundin? Was hast du denn, daß du so bekümmert bist? Was hast du denn gesehen?« »Ach, was ich habe? Ich gräme mich sehr. Ich komme gerade aus der Beichte. Der Priester hat mir eine Buße auferlegt, ach, wie ich mich gräme, wie ich mich gräme! Ach, wenn Ihr[231] sie doch an meiner Stelle ausführen könntet!« »Aber gewiß! Ich versichere dich, wenn ich sie ausführen kann, so werde ich es tun! Was sollst du denn machen?« »Er hat gesagt, zur Buße solle ich heute abend eine Baßgeige nehmen und mich auf dem Kirchhof die ganze Nacht darunter verstecken«. »Ach, wenn es weiter nichts ist; ich versichere dich, daß ich deine Buße auf mich nehmen werde, du kannst ganz beruhigt sein!«

Weiter. Sie geht fort. Ein wenig später trifft sie den zweiten. Sie sah wieder ganz trostlos, ganz trostlos drein, sobald sie ihn bemerkte. »Nun, was hast du denn, meine liebe, teuere Freundin? Du schaust so trostlos drein, so vergrämt!« »Ach, ich habe Grund dazu! Ich komme eben aus der Beichte, und der Pfarrer hat mir eine Buße auferlegt, die mich sehr grämt! Ach, wie sie mich grämt, wie sie mich grämt! Ach, wenn Ihr sie doch an meiner Stelle ausführen könntet!« »Oh, wenn es möglich ist, so versichere ich dich, daß ich es tun werde! Um was handelt es sich denn?« »Ich soll einen Sack mit Nüssen nehmen und diese auf dem Kirchhof über einer Baßgeige knacken, die sich dort an einer gewissen Stelle befinden soll.« »Oh, ich versichere dich, wenn es weiter nichts ist, so werde ich es auf mich nehmen! O gewiß! Du kannst ganz beruhigt sein!«

Sie geht also weiter. Da trifft sie den dritten Freier. Wieder schaute sie ganz trostlos, ganz trostlos drein. Als er sie gewahrte, konnte er sich gar nicht erklären, was ihr sei. »Nun, was hast du denn, meine liebe Freundin? Du schaust so bekümmert drein; nun, was hast du denn?« »Ach ja, ich gräme mich, ich gräme mich, ja! Ich komme eben aus der Beichte, und der Pfarrer hat mir eine Buße auferlegt, die mich sehr grämt! Ach, wie sie mich grämt! Ach, wenn Ihr sie doch an meiner Stelle ausführen könntet, ihr tätet mir einen großen Gefallen!« »Nun, um was handelt es sich denn? Wenn ich es kann ...« »Es handelt sich darum, ein Paar Fußfesseln zu nehmen und heute Nacht auf den Kirchhof zu gehen, sie um die Beine zu binden und die ganze Nacht auf dem Kirchhof herumzuwandeln.« »Ach, meine liebe[232] Freundin! Ach ja, um dir einen Gefallen zu tun, werde ich es auf mich nehmen; ja, sicher, ich werde es tun! Ach, ich werde es wohl tun!« »Oh, welch einen großen Gefallen würdet Ihr mir erweisen!«

Abends nimmt also der erste Freier seine Baßgeige, trägt sie auf den Friedhof und kriecht darunter. Einen Augenblick später kommt der zweite mit einem Sack Nüsse, schüttet seine Nüsse der Länge nach auf der Baßgeige aus und beginnt sie, krack, krack, auf derselben zu zerbrechen. Der andere, der unter der Baßgeige steckte, verging vor Angst. Einen Augenblick später erschien der dritte mit seinen Fesseln an den Füßen und wandelte rings um den Kirchhof herum: klirr, klirr, klirr. Der, welcher die Nüsse aufbrach, hörte es, und das Zittern befiel ihn. »O mein Gott, was ist das? Ist das der Teufel? Was ist das?« Er zitterte wie Espenlaub, der Arme. Als der, welcher im Kreise wandelte, ihm ganz nahe kam, glaubte er ganz gewiß, er wolle ihn holen; dennoch getraute er sich zu sagen: »Oh, oh, wir wollen sehen! Seid Ihr vom lieben Gott oder vom Teufel geschickt?« Der andere blieb plötzlich stehen. »Nein, ich bin weder vom einen noch vom andern geschickt, sondern von der und der.« »Und ich auch!« Der dritte, der unter der Baßgeige lag, gab dieser mit seinem Kopfe einen Stoß, daß die beiden andern vor Angst auf den Hinteren fielen. »Und ich auch,« sagte er, »ich bin auch von der und der hergeschickt! Nun, wir wollen sehen! Da sind wir schön eingegangen, alle drei! Man spielt uns da einen sauberen Streich! Oh, was sollen wir tun, um ihr Gleiches mit Gleichem zu vergelten? Das will reiflich überlegt sein!« »Also,« sagte der eine, »weißt du was? Du mußt einen Heiligen machen, und ich mache den Schutzengel. Du mußt zu ihr gehen, und was sie dir auch anbietet, du mußt sagen, du nähmest nichts an als das, was dir dein Schutzengel gestatten würde.«

Der Heilige geht also abends hin und bittet in jenem Hause um ein Nachtlager. Er trug ein Kreuz und einen Rosenkranz, kurz, er sah aus wie ein echter Heiliger. Die Leute waren so[233] froh, als sie einen Heiligen in ihr Haus treten sahen! Sie waren so froh, der Vater und die Mutter! Rasch hießen sie ihn nahe beim Kamin Platz nehmen. Die Stunde des Abendessens kam. »Nun, was wollt Ihr heute abend essen?« »Was mir mein lieber Schutzengel befehlen wird! Mein lieber Schutzengel, was soll ich heute zu Abend essen?« »Was es gibt!« antwortete eine Stimme von oben. Nun, unsere braven Leute ließen ihn mit zu Tisch sitzen und verpflegten ihn nach Kräften. Nachher wurde es Zeit, schlafen zu gehen. »Nun, wo wollt Ihr schlafen?« »Da, wo mir mein lieber Schutzengel befehlen wird!« »Mein lieber Schutzengel, wo soll ich schlafen?« »Bei der schönen Tochter!« Nun, sie waren es sehr zufrieden, sehr zufrieden, daß ein Heiliger bei ihrer Tochter schlief. Ach, sie hatten eine Freude, daß sie sich selber nicht mehr kannten! Der Heilige blieb vielleicht zwei bis drei Stunden bei der Tochter, dann tat er, als ob er hinaus müsse. Der gute Schutzengel trat an seiner Stelle ein, kroch zur Tochter ins Bett und verweilte dort ebenso lange wie der andere. Auch er mußte hinaus. Er geht, und der dritte nimmt seinen Platz ein und schmiegt sich für den Rest der Nacht zur Tochter. Am Morgen jedoch, ehe er fortging, sagte er: »Du hast uns einen Streich gespielt, nicht wahr? Aber wir haben dir Gleiches mit Gleichem vergolten. Eines ist so viel wert wie das andere.« Und die Tochter, der Vater und die Mutter kläfften hinterher, aber es war zu spät. Und ich, ich trank einen Schluck und dann konnte ich nicht mehr fort.

Quelle:
FR-Märchen Bd.2, S. CCXXXI231-CCXXXIV234.
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