[514] 114. Die heiratsscheue Prinzessin.

Nach mündlicher Mitteilung des Herrn Professor Siegel, welchem auf vieles Bitten Konstantin Majorakos aus Marathonisi in der Maina dieses Märchen erzählt hatte.[514]

Es gehört zur Brautwettformel Nr. 23.

Das Verlieben in ein Bildnis findet sich auch in Nr. 29 und Nr. 64, Variante 3.

Der Zug, daß der Held die Wunschstücke, welche das Vatererbe der Streitenden bilden, als er zu deren Schiedsrichter bestellt wird, sich selbst zueignet, ist die griechische Form eines weitverbreiteten Märchenzuges, dessen älteste germanische Form sich im deutschen Nibelungenliede als Erbteilung des Nibelungenerbes durch Siegfried findet.

Des Helden Schlächterei im feindlichen Lager klingt an Odysseus und Diomedes nächtliche Erlegung des Rhesos und das darauf im Troerlager entstehende Getümmel an.

Das Zähneausziehen erinnert an die dem Hüon in der Oberonsage gestellte Aufgabe.

Ey S. 64 bringt eine deutsche Form unseres Märchens. Die Prinzessin ist von einem alten Berggeiste bezaubert, zu dem sie bei Nacht fliegt; der Held verfolgt sie in einem Federhemde, das er von dem dankbaren Geiste eines Toten erhalten, den er begraben hat, und muß sie während des Fluges mit Ruten hauen. Der Berggeist gibt ihr den Gegenstand an, welchen sie dem Freier zu erraten aufgeben soll, wenn er nicht von ihrer eigenen Hand den Tod erleiden will (neun Freier erlitten ihn bereits). Der Held hört die Aufgaben des Berggeistes mit an und antwortet andern Tages auf die Frage der Prinzessin, an was denke ich? das erstemal, an deines Vaters Roß; das zweitemal, an deines Vaters Schlachtschwert, und das drittemal, an diesen da, indem er ihr das Haupt des Berggeistes zeigt, das er abgeschlagen, nachdem die Prinzessin von ihm Abschied genommen hatte. Als sie seine Frau geworden, heilt er sie vollends, indem er die nächtlich Aufspringende mehrmals in eine Wasserkufe[515] taucht, aus der sie zuerst als Rabe, dann als Taube und zum drittenmal in ihrer wahren Gestalt auftaucht.

Eine persische Form des Märchens, und zwar die reichste der drei, steht bei Benfey I, S. 445. Sie stimmt zu der deutschen in dem Zug der Rätselwette, und zur griechischen in ihrem Schlusse, indem der König die schuldige Prinzessin samt ihren Kindern, die sie von dem zauberkräftigen Ungeheuer geboren, umbringen läßt und den Helden an Kindes Statt annimmt. Eigentümlich ist, daß nur ein, und zwar einen früheren Hergang betreffendes Rätsel zu lösen ist, auf dessen Wissenschaft der Tod steht, und daß der Held die Lösung nicht von dem Liebhaber der Prinzessin, sondern von einem Dritten erfährt.

Quelle:
Hahn, J[ohann] G[eorg] v[on]: Griechische und Albanesische Märchen 1-2. München/Berlin: Georg Müller, 1918, S. 514-516.
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