[214] 40. Der Fischersohn und die Prinzessin.

Es war einmal ein Fischer, der hatte einen Knaben, welcher ebenso schön als klug war. Eines Tages ging er zur Stadt, um die Fische zu verkaufen, die er gefangen hatte, und nahm auch seinen Knaben mit, um ihn dort in die Schule zu geben. Als sie in die Stadt kamen, gab er dem Knaben die drei größten und schönsten Fische, die er hatte, und sagte ihm, er solle sie dem König zum Geschenke bringen. Statt zum Könige, trug der Knabe aber die Fische zu dessen Tochter, welcher er so wohl gefiel, daß sie ihm eine Handvoll Goldstücke schenkte. Als der Knabe das Gold seinem Vater zeigte, erschrak dieser und rief: »dies Gold wirst du irgendwo gestohlen haben«, und der Knabe hatte große Mühe seinen Vater zu überzeugen, daß es ihm die Prinzessin gegeben habe. So oft er ihr darauf Fische brachte, schenkte ihm die Prinzessin eine Handvoll Goldstücke. Einmal ging der Fischer allein zu ihr, und da fragte sie ihn: »warum hast du deinen Sohn nicht mitgebracht?« Dieser aber antwortete, daß er in der Schule sei. Sie befahl ihm darauf ihn zu holen, und als er ihn gebracht hatte, sagte sie zu ihm: »diesen Jüngling will ich zum Manne haben. Nimm also dieses Geld und schicke ihn damit auf die Hochschule,[214] damit er dort so lange studire, bis er ein gelehrter Mann wird.«

Der Fischersohn blieb so lange auf der Hochschule, bis er alles gelernt hatte, was dort zu lernen war, und kehrte darauf nach Hause zurück. Dort prüften ihn die Lehrer, und er bestand glänzend. Die Prinzessin aber war damit noch nicht zufrieden, sondern schickte ihn auf eine noch größere Hochschule und trug ihm auf, dort die geistliche und weltliche Musik zu studiren. Als er auch von da zurückkam, bat er den Kantor der Hauptkirche, an einem Feiertage statt seiner in der Kirche singen zu dürfen, und da sang er so schön und mit solcher Kunst, daß alle Welt, besonders aber der König sich nicht genug verwundern konnte. Als die Kirche zu Ende war, ließ daher der König den Jüngling zu sich rufen, und fand solches Wohlgefallen an ihm, daß er ihn zum Essen behielt, und als am Nachmittag die Besatzung zur Parade auszog, nahm er ihn dahin mit sich; da bat der Jüngling den König um Erlaubnis, die Militairmusik dirigiren zu dürfen, dieser aber ließ ihm mehrere Instrumente reichen, um zu sehen, ob er auch wirklich Musik verstehe, und der Jüngling nahm eines nach dem andern und spielte auf jedem mit solcher Kunst, daß der König davon entzückt wurde und ausrief: »dich und keinen andern will ich zum Schwiegersohne.« Als sie nun nach Hause kamen, machte der König wenig Umstände, sondern ließ seine Tochter kommen und sie mit dem Fischersohne einsegnen.

Wie nun der Fischersohn am Abend in das Brautgemach trat, da überlegte er, ob er sich ihr nähern solle, oder nicht, weil sie seine Wohltäterin und eine Prinzessin, und er nur ein Fischersohn sei, der ihr alles zu verdanken habe. Endlich faßte er Mut und näherte sich ihr. Da[215] sprach die Prinzessin: »ach ich Ärmste! ich bin in die Hände eines Fischers gefallen.« Diese Worte kränkten aber den jungen Mann so sehr, daß er sich aufmachte, den Pallast und die Stadt verließ und nach der Hochschule zurückwanderte. Als die Frauen der Prinzessin am andern Morgen in das Brautgemach traten, fanden sie sie dort allein, und als der König erfuhr, daß sein Schwiegersohn verschwunden wäre, ließ er die ganze Stadt nach ihm aussuchen und ihn sogar durch den öffentlichen Ausrufer ausschellen, aber er war nirgends zu finden, und es dauerte lange, bis es bekannt wurde, daß er auf der Hochschule sei.

Der Jüngling stellte sich aber dort, als ob er stumm wäre, und da er sehr beliebt war, so gaben sich die Ärzte große Mühe, um ihn zu heilen; doch alle Versuche waren vergebens. Als die Prinzessin das hörte, machte sie sich auf, reiste nach der Hochschule, ging zum König des Landes und sagte, man solle ihr den Stummen drei Tage lang anvertrauen, und wenn sie ihn in dieser Zeit nicht geheilt habe, so wolle sie ihr Leben verlieren. Der König ging auf dieses Verlangen ein, und gab ihr den Stummen drei Tage lang in Pflege, und sie versuchte während derselben alles mögliche, um ihn zum Sprechen zu bringen, aber alles war vergebens. Als nun die drei Tage um waren, kamen die Leute des Königs, führten sie zur Stadt hinaus, um sie hinzurichten, und schlangen ihr den Strick um den Hals, an dem sie sie aufhängen wollten. Da erschien der junge Mann mit drei Nüssen in der Hand auf dem Richtplatze, und sprach zum Henker: »Gieb mir die junge Frau für diese drei Nüsse.« Da freuten sich alle, daß er seine Sprache wieder erhalten habe, schnitten den Strick entzwei, und übergaben ihm die Frau. Zu der aber sprach er: »erinnere dich stets daran, daß du mich mit[216] vielem Gelde und deinem eigenen Leben erkauft hast, ich dich aber um drei Nüsse erstand.«

Quelle:
Hahn, J[ohann] G[eorg] v[on]: Griechische und Albanesische Märchen 1-2. München/Berlin: Georg Müller, 1918, S. 214-217.
Lizenz:
Kategorien: