[220] 42. Der Priester und die Bartlosen.

[220] Es war einmal ein Priester, der ging eines Tags mit seinem Ochsen zum Brunnen, um ihn zu tränken. Dort fand er ein paar Bartlose, die sprachen zu ihm: »Ei, was hast du da für einen schönen Ochsen! wenn du ihm aber den Schwanz und das eine Horn abschnittest, so wäre er noch schöner.« Da zog der Priester sein Messer heraus und schnitt dem Ochsen den Schwanz und das eine Horn ab. Ein anderes Mal fand er sie wieder am Brunnen und da sagten sie ihm: »Ei, was hast du da für einen schönen Ochsen! wenn du ihm aber das zweite Horn und das eine Ohr abschnittest, so wäre er noch schöner.« Da zog der Priester sein Messer heraus und schnitt sie ab. Wieder einmal fand er sie beim Brunnen und da sagten sie zu ihm: »Ei, was hast du da für einen schönen Ochsen! wenn du ihm aber das andere Ohr und die Lippen abschnittest, so daß er lachte, so wäre er noch schöner.« Da zog der Priester sein Messer heraus und schnitt dem Ochsen auch das andere Ohr und die Lippen ab; davon verreckte aber das arme Tier.

Als der Priester sah, daß sein Ochse tot war, da rief er: »ach ihr bartlosen Lumpen, wie habt ihr mir mitgespielt! jetzt wartet, wie ich euch das heimzahlen werde.« Darauf setzte er sich auf seinen Esel, nahm eine Handvoll Goldstücke mit und ritt so zum Brunnen, um ihn zu tränken. Als er dort die Bartlosen sah, ließ er heimlich die Goldstücke auf den Weg fallen und sprach: »hört Freunde, tut mir den Gefallen und lest mir die Goldstücke auf, die der Esel hat fallen lassen.« »Ei, macht denn dein Esel Goldstücke?« fragten ihn die Bartlosen, und der Priester antwortete: »ja, aber nicht jeden Tag.«[221] – »Ist er dir nicht feil?« – »Warum nicht?« – »Wie viel willst du dafür?« – »Funfzehntausend Piaster und keinen Heller weniger!« – Da brachten ihm die Bartlosen das Geld, und er gab ihnen dafür den Esel und sprach: »ihr müßt ihn in einen dunklen Stall bringen und ihm einen Kessel voll gesottener Erbsen und einen andern mit Wasser vorsetzen, und müßt ihn vierzig Tage darin lassen, ohne nach ihm zu sehen, und dann werdet ihr das Gold haufenweise im Stalle auflesen.« Die Bartlosen taten, wie ihnen der Priester gesagt hatte; von den gesottenen Erbsen schwoll aber der Bauch des Esels dermaßen an, daß er verreckte und mit den Beinen in der Höhe im Stalle lag. Als die Bartlosen nach einiger Zeit durch ein Loch in den Stall lugten und die Hufeisen blinken sahen, da sagten sie untereinander: »sehet wie die Goldhaufen glänzen!« Als sie aber am vierzigsten Tage den Stall öffneten und den Esel verreckt fanden, da sprachen sie: »wir wollen zum Priester gehen und von diesem unser Geld zurückverlangen.«

Sie gingen also zu ihm und verlangten ihr Geld, und jener sprach: »kommt am Abend wieder, da will ich es euch geben.« Darauf sprach er zu seiner Frau: »du mußt heute Abend für die Bartlosen Essen kochen, denn ich habe sie eingeladen, und diesen Darm umbinden, der mit Blut gefüllt ist, und während sie da sind, mußt du recht verliebt mit ihnen tun, dann werde ich böse werden und dir den Darm mit dem Messer aufstechen, du aber mußt dich tot stellen, und wenn ich auf der Pfeife spiele, wieder lebendig werden.«

Als die Gäste am Abend kamen, machte es die Frau, wie ihr der Priester gesagt hatte, und dieser tat, als ob er zornig würde und sie erstäche. Wie das die Bartlosen sahen, riefen sie: »Ach! was hast du angestellt! du hast[222] deine Frau umgebracht.« Jener aber sprach: »seid unbesorgt, ich will sie schon wieder lebendig machen.« Er nahm nun die Pfeife und spielte darauf und sofort wurde die Frau wieder lebendig. Da riefen die Bartlosen: »Ei, was hast du da für eine schöne Pfeife! wenn du sie uns giebst, so wollen wir dir das Geld schenken.« Da gab er ihnen die Pfeife und sie gingen hin und schlachteten ihre Weiber, und bliesen und bliesen auf der Pfeife, aber keine wollte wieder lebendig werden.

Da riefen sie: »ach! wie hat uns der Priester mitgespielt! kommt, wir wollen ihn dafür ins Wasser werfen.« Da packten sie ihn und steckten ihn in einen Kasten und trugen ihn zu einem See. Unterwegs aber sprach einer: »kommt, laßt uns essen gehen und dann wollen wir ihn vollends hintragen und ins Wasser werfen.« Während der Priester so in der Kiste lag, da kam ein Schäfer mit seiner Heerde gezogen und ging auf die Kiste zu, um zu sehen, was darin sei. Als ihn nun der Priester kommen hörte, rief er: »ich nehme die Prinzessin nicht, ich nehme sie nicht!« Da fragte ihn der Schäfer, was das zu bedeuten habe, und er antwortete: »ach! sie wollen mir die Tochter des Königs zur Frau geben, ich will sie aber nicht.« »Weißt du was«, rief da der Schäfer, »ich will mich statt deiner in die Kiste legen und die Prinzessin heiraten, und du magst dafür meine Schafe nehmen.« »So laß mich heraus«, rief der Priester. Da ließ er den Priester heraus und legte sich statt dessen in die Kiste, und der Priester nahm dessen Heerde und trieb sie auf einem großen Umwege in das Dorf.

Als nun die Bartlosen wieder zum Kasten kamen, da rief der Schäfer was er konnte: »ich will die Prinzessin nehmen, ich will die Prinzessin nehmen!« Die Bartlosen aber lachten und glaubten, der Priester sei aus Todesangst[223] närrisch geworden. Sie sprachen also: »deine Narrheit hilft dir nicht!« und warfen die Kiste ins Wasser, so daß der Schäfer darin ersaufen mußte.

Als sie nun wieder ins Dorf kamen, begegneten sie dem Priester, welcher von der anderen Seite seine Heerde eintrieb, und riefen: »Ei, wo hast du denn die Schafe her?« und dieser antwortete: »die habe ich auf dem Boden des Teiches gefangen, in den ihr mich geworfen habt, es ist aber nur ein kleiner Teil von denen, die da unten grasen, hättet ihr mich nur noch weiter hineingestoßen, so hätte ich noch viel mehr heraufgebracht.« Da sagten sie zu ihm: »willst du nicht mit uns kommen und uns auch hineinwerfen?« »Ei, warum nicht!« versetzte der Priester, ging mit den Bartlosen zum Teiche und warf einen nach dem andern hinein, wo es am tiefsten war. Da ertranken sie alle, und so blieb nur er allein mit seiner Frau im Dorfe zurück und lebte von da an in Glück und Überfluß.

Quelle:
Hahn, J[ohann] G[eorg] v[on]: Griechische und Albanesische Märchen 1-2. München/Berlin: Georg Müller, 1918, S. 220-224.
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