[241] 48. Der Spindelknopf.

Es war einmal ein Mann, der hatte drei Söhne und die waren alle drei an schmucke Frauen verheiratet. Eines Tages fand er auf dem Felde einen silbernen Spindelknopf, und als er am Abend nach Hause kam, sagte er zu seinen drei Schnuren: »kommt einmal her, ihr Schnuren, ich habe auf dem Felde einen silbernen Spindelknopf gefunden, und an wessen Spindel er paßt, der soll ihn haben.« Da versuchte es zuerst die älteste, doch[241] der Knopf paßte nicht an ihre Spindel, und ebenso ging es der zweiten, aber an die Spindel der dritten paßte er vollkommen und sie behielt ihn also.

Darüber wurden ihr die beiden andern neidisch, und sie verdrängten sie daher von allem und ließen sie nicht einmal mit am Tische essen. Eines Tages sagte ihre alte Schwiegermutter zu ihr: »komme her und lause mich ein wenig.« Da setzte sie sich mit ihrer Schwiegermutter auf einen Haufen Weintrestern, der vor der Türe lag, und lauste sie, und weil sie sehr hungrig war, so aß sie dabei die Körner, die in den Trestern waren. Wie das die andern Schnuren sahen, verspotteten sie die Ärmste, und sagten, sie äße Läuse.

Als nun ihre Männer Briefe schickten, daß sie aus der Fremde nach Hause kommen würden, da machten die zwei älteren Frauen neue Kleider und Schuhe für ihre Männer, aber die jüngste tat nichts dergleichen, und wie die Männer heim kamen, da gaben die beiden älteren Frauen den ihrigen, was sie für sie gearbeitet hatten, und diese prangten in neuen Kleidern und neuen Schuhen, doch die jüngste gab ihrem Manne nichts, er mußte also mit seinen alten Kleidern einhergehen und war darüber sehr zornig. Als sie ihm aber auch noch erzählten, daß seine Frau Läuse esse, da beschloß er, sich ihrer zu entledigen und sie so tief in den Wald zu führen, daß sie darin umkommen müsse. Er sprach also zu ihr: »wollen wir nicht zu deiner Mutter Grab gehn und ihr die Totenlieder singen?« und als seine Frau das zufrieden war, da nahm er einen Korb voll Weizen, führte seine Frau in den tiefen Wald und sprach: »bleibe hier und mache Feuer und siede den Weizen und warte bis ich wieder komme, denn ich will einen Hasen schießen, damit wir etwas zu essen haben.« Da machte die Frau Feuer an und[242] kochte den Weizen und wartete auf ihren Mann, aber der kam nicht wieder, und als es nun Nacht wurde, da betete sie zum lieben Gott und sprach: »lieber Gott, gieb mir eine Höhle, um meinen Kopf hineinzustecken«, und der liebe Gott schenkte ihr eine solche und sie steckte ihren Kopf hinein. Als nun in der Nacht die Vögel kamen und von dem Weizen fraßen, sprach sie: »wohl bekomme es euch, liebe Vögel, und bittet für meine Mutter.« Am andern Morgen aber bat sie den lieben Gott, er möge ihr ein Haus geben mit allen nötigen Geräten, von denen ein jedes reden könne, und kaum hatte sie darum gebeten, so stand auch ein solches Haus vor ihr, und alle Geräte, die darin waren, hießen sie willkommen.

Nach einer Weile sehnte sich aber ihr Mann nach ihr und sprach bei sich: »ich muß doch einmal nachsehn, was aus der armen Frau geworden ist.« Er nahm also seine Flinte und ging in den Wald, und als er an die Stelle kam, wo er sie verlassen hatte, sah er da ein Haus stehn und ging auf dasselbe zu, um nach seiner Frau zu fragen. Wie ihn nun die Hunde kommen sahen, da riefen sie: »Frau! Frau! draußen steht ein Fremder, sollen wir ihn hereinlassen?« und jene antwortete von innen: »laßt ihn hereinkommen.« Kaum war aber der Mann eingetreten, so erkannte er seine Frau, er gab daher vor, daß er sehr müde sei, hüllte sich in seinen Mantel, und tat, als ob er schliefe. Da nahm die Frau ihren Spinnrocken, spann und sprach: »was soll ich dir erzählen, lieber Rocken? wir waren unser drei Schnuren und hatten auch einen Schwiegervater, der fand auf dem Felde einen silbernen Spindelknopf«; – und der Rocken sprach: »spinne, Frau, und erzähle!« – und so erzählte sie ihrem Rocken alles, wie es ihr ergangen. Als sie damit fertig war, stand ihr Mann auf und bat sie, wieder mit ihm zu[243] kommen, und versprach ihr, daß es seine Schwägerinnen entgelten sollten. Da ging die Frau mit ihm, und als sie nach Hause kamen, schlug er seine beiden Schwägerinnen und seinen Vater tot und lebte nun allein mit seiner Frau in dem Hause.

Quelle:
Hahn, J[ohann] G[eorg] v[on]: Griechische und Albanesische Märchen 1-2. München/Berlin: Georg Müller, 1918, S. 241-244.
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