[45] Schuhflicker im Glücke.

[45] Es war einmal ein Schuhflickerlein, das lebte mit Frau und Kindern im Elend, denn sie hatten nichts zu brocken und zu beißen. Wie oft er auch mit seinem Werkzeugskorb durch die Straßen lief und rief: »Wer hat Schuhe zu bessern?« ... so kam doch niemand, der seiner Arbeit begehrte, und des Lebens müde, beschloß er, sich zu ersäufen. Wie er sich in den Strudel stürzen will, tritt vor ihn sein Glück, hält ihn zurück und sagt: »Was willst du thun?« – »Ach!« seufzte er, »das Unglück verfolgt mich und ich mag nicht mehr leben.« Spricht zu ihm das Glück: »Thue das nicht. Hier nimm dieses Messer! Disteln gibt es genug, und bei jeder Distel, welche du damit abschneidest, wirst du einen kleinen Groschen finden.« Er nahm das Messer, und gleich bei der ersten Probe fand er den Groschen und so fort bei jeder andern. Nun war ihm geholfen und er sang ganz laut in die Welt hinein: »Juchhei! Was für ein reicher Mann ich bin!«

Das hörten die Mönche des Klosters, an dem er just vorüberzog, sie ließen ihn hereinkommen und fragten: »Gevatter Beppo, was habt Ihr denn, daß Ihr gar so lustig seid?« – »Ei,« rief er, »mir ist das Glück erschienen[46] und ich bin jetzt reich.« Dabei erzählte er seine Geschichte und zeigte ihnen das Messer vor. Die Mönche meinten, das könnten sie auch gebrauchen, und überlegten, wie sie ihn überlisten könnten. Sie gaben ihm tüchtig zu essen und zu trinken, und wie er trunken war, nahmen sie ihm das Messerchen und steckten ihm ein ganz ähnliches in die Tasche.

Er kam nach Hause, voll Freude rief er Weib und Kinder herbei und sagte: »O, wie sind wir reich!« Die Frau dachte, er sei wol gar verrückt geworden, und sagte dies auch den Kindern; als er sie aber einlud, mit ihm hinaus aufs Feld zu kommen, gingen sie alle mit, wunderten sich aber baß, als der Vater anfing Disteln abzuschneiden. Geld hat er damals keins gefunden.

»Mit mir ist's aus, jetzt muß ich mich dennoch ersäufen«, rief er und eilte dem Flusse zu, sich hineinzustürzen. Doch wieder erscheint ihm sein Glück und sagt: »Was willst du schon wieder hier?« – »Ach! ins Wasser will ich mich stürzen!« – »Thue es nicht, denn ich bin gekommen, dir zu helfen. Nimm diesen Esel, bei jedem Stockstreiche, den du ihm gibst, wird er ein Häufchen Gold fallen lassen.« Und sie gab ihm auch den Stock. Kaum ist sie fort, so fängt er an, den Esel zu schlagen, und siehe da! bei jedem Schlage ein Häuflein Goldes. Jetzt kannte seine Freude keine Grenzen, und jubelnd singt er an dem Kloster vorüber: »Juchhei, welch ein reicher Mann ich bin!« Die Mönche rufen ihn an: »Gevatter Beppo, kommt doch einen Augenblick herein! Sagt, was singt Ihr da?« Statt aller Worte zeigt er ihnen sein Glück durch die That, schlug auf den Esel und theilte ihnen von seinem Reichthum mit. Die Mönche sagten unter sich: »Das Thierlein wär' uns schon lieb.«[47] Und sie gaben ihm zu essen, machten ihn trunken, vertauschten seinen Esel mit einem andern Grauchen und stellten auch einen andern Stock dazu.

So kam er zu seiner Frau und rief: »Jetzt, Frau, jetzt sind wir reich wie der König! Nimm das Betttuch und breite es auf den Boden, nur schnell!« Frau und Kinder schauten einander an, jedes meinte, der Vater sei jetzt alles Ernstes verrückt geworden. – Die Frau sagte: »Was soll's da mit dem Betttuche?« – »Thue nur, wie ich dir geheißen!« Sie breiteten es denn auf dem Boden aus, er trieb den Esel darauf und nun schlug er auf das Thier los. Aber er mochte schlagen, was er wollte, Gold kam nicht zum Vorschein, ganz zuletzt nur ließ das geplagte Thier etwas fallen, was jedoch kein Gold war. Da jagten sie den Vater mitsammt seinem unmanierlichen Esel zum Hause hinaus.

Er lief und weinte und schrie: »Jetzt hält mich nichts mehr zurück, jetzt will ich wirklich sterben.« Doch zum dritten mal erscheint ihm sein Glück: »Du kommst schon wieder?« – »Laß mich«, ruft er verzweifelt, »laß mich, ich mag nichts mehr von dir wissen, ich will und muß sterben!« – »Muth, Väterchen, Muth! Ich will dir ja aus aller Noth helfen.« Und das Glück gab ihm einen Korb voll Schuhleisten und sprach: »Jetzt mußt du bei den Mönchen vorübergehen und mußt ihnen sagen: ›Heraus mit dem Messer, heraus mit dem Esel, oder ich mache euch die Köpfe mürbe wie frischbacken Brot!‹ Dann rufst du nur: ›Schlagt zu, ihr Leisten!‹ und die Leisten werden anfangen die Köpfe zu bearbeiten. Denkst du es sei genügend, so rufe: ›Genug, ihr Leisten!‹ und sie wandern wieder in den Korb zurück.«

Er kam zu den Mönchen und sagte: »Jetzt gebt mir[48] einmal meinen Esel und mein Messer heraus, oder ...« Die Mönche leugneten alles rundweg ab, sie wüßten nichts. Da wurde der Schuhflicker zornig und rief: »Schlagt zu, ihr Leisten!« Wupp! waren die Leisten aus dem Korbe und tanzten auf den Glatzen der Mönche herum, daß sie weich wie Brei wurden. Wie sie sich gar nicht zu retten wußten, schrien sie: »Halt ein! Wir wollen dir alles wieder herausgeben!« Da sagte jener: »Genug, ihr Leisten!« und da huschten sie wieder in den Korb. Als sie aber zur Ruhe gekommen waren, zögerten sie dennoch, die Sachen herauszugeben; da drohte der Schuster von neuem mit den Leisten. »Geben wir sie ihm«, rieth der Abt, »sonst bringt er uns noch alle ums Leben.« So bekam er sein Messer und seinen Esel zurück. Damit man ihn auch nicht betrüge, gab er dem Esel einen Schlag, aber es war doch der echte. Jetzt heim!

»Frau!« rief er von weitem, »nun sind wir doch reich!« Die sagte: »Da ist der Verrückte wieder, was fangen wir mit ihm an?« – »Frau, Frau, geschwind, breite das Betttuch aus!« – »Was? Willst du heute durchaus Schläge haben?« Und auch die Kinder kamen, ihn zu verspotten. Da wurde er fuchswild und rief: »Schlagt zu, ihr Leisten!« Da ging ein Gejammer los und sie waren ihm gar gern zu Willen mit dem Betttuch. Da es ausgebreitet war, schlug er den Esel, und siehe, er ließ einen großen Haufen Goldes fallen. Nun war die Freude groß und sie umarmten und küßten den Vater, und das Glück ist nie mehr von ihrem Hause gewichen.

Quelle:
Kaden, Waldemar: Unter den Olivenbäumen. Süditalienische Volksmärchen. Leipzig: Brockhaus 1880, S. 45-49.
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