5.

[195] Die Lappen in der Kaitom-Gegend (in Luleå Lappmarken) wissen von einer Feldschlacht zu erzählen, die ihre Vorfahren über die Russen und Karelen gewonnen haben sollen; aber die Zeit, zu der dies vorging oder wie lange es nun her ist, wissen sie nicht anzugeben. Es heißt, daß eine Partie Russen oder, nach Anderen, Karelen, sich nach Lappmarken hinauf begeben habe. Durch den unerwarteten Ueberfall eines Lappendorfes bekamen sie eine ansehnliche Beute an Geld und Renthieren. Begierig nach noch mehr Beute, streiften sie auf allen Wegen herum, wo Lappen hausten, indem sie sich im Winter der Schneeschuhe bedienten.

Da die Lappen einen allgemeinen Untergang ihres Stammes zu befürchten begannen, hatten sie sich endlich in großer Anzahl gesammelt und einen Anführer gewählt. Als sie nun in eine Gegend kamen, wo sie vermutheten, daß der Feind sich bald dort zeigen würde, gebrauchte der Anführer folgende[195] Kriegslist: er ließ zuerst eine große Menge schwerer Baumstämme auf einen hohen Berg bringen, sodann den Schnee um den ganzen Berg herum gut niedertreten, und nachdem dies geschehen war, den Schnee mit Wasser begießen, so daß der ganze Berg bis zu seinem Gipfel mit Eis bedeckt wurde. Hierauf ließ er Stufen in's Eis hauen sowie Wege oder Fußsteige von allen Ecken und Seiten herstellen, damit der Feind ja gewiß zu dem vermuthlichen Lager der Lappen hinfinden sollte.

Es ging auch Alles nach Wunsch des Anführers. Als die Karelen kamen, hatte derselbe seine ganze Mannschaft auf dem obersten Abhange des Berges aufgestellt, der von allen Seiten ziemlich weit gesehen werden konnte. Sowie aber der Feind, der alsbald über die eingehauenen Stufen hinaufzusteigen begann, die Hälfte des Weges zurückgelegt hatte, ließen die Lappen plötzlich die Baumstämme los und zerschmetterten damit den größten Theil der Karelen bis auf einige wenige, die sie später tödteten. Nur zwei kamen mit dem Leben davon; doch hatte der Eine einen Arm, der Andere einen Fuß verloren. Diesen wurde erlaubt, heimzureisen, um ihrem Volke zu berichten, was für ein Ende ihre Kameraden genommen hätten.

Für die Anzahl der Erschlagenen haben die Lappen keine andere Schätzung als den Bericht, daß die Feuerstähle, die man bei den getödteten Karelen gefunden und auf die Stränge der Holzbogen gefädelt hat, zweieinhalb Bogenstränge füllten. Da nun aber jeder Strang auf diesen Bogen im Allgemeinen eine gute Klafter lang ist, so muß es eine ganz ansehnliche Schaar gewesen sein.

Man zeigt noch ein tiefes Thal, das sich in den Berg einschneidet, durch welches die Lappen das Wasser hinauf gebracht haben sollen; ebenso zeigt man gewisse Stellen auf der Nordseite des Berges, wo ein besserer Graswuchs ist als an anderen Stellen, und man gibt vor, daß das Blut der erschlagenen[196] Karelen diese Plätze fruchtbarer gemacht habe. Der Berg selbst heißt noch heutzutage, nach dem karelischen Anführer, Käppovarre. Er liegt ungefähr vier Meilen nördlich von Gellivarre und ist der einzige Berg in der Gegend, der noch im Monat Juli Schnee und Eis auf seinen höchsten Punkten hat.

Quelle:
Poestion, J. C.: Lappländische Märchen, Volkssagen, Räthsel und Sprichwörter. Wien: Verlag von Carl Gerolds Sohn, 1886, S. 195-197.
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