XLVIII. Der Lappenkönig und die russischen Tschuden.

[200] (Aus Koutokäino.)


Der König der Lappen oder Samen befand sich einmal – es war in der sogenannten »vainoi aige« oder Kriegszeit – auf der Wanderung in den Bergen um Koutokäino. Da stieß er plötzlich auf einen Trupp russischer Tschuden. Sie kannten ihn jedoch nicht, sondern fragten:

»Kennst du den Lappenkönig und weißt du, wo er sich aufhält?«

»O ja« antwortete der Lappenkönig, »ich kenne ihn sehr gut und kann euch auch Bescheid über ihn geben!«

Bei sich selbst aber dachte er, daß sie den Lappenkönig schon zur rechten Zeit kennen lernen sollten.

»Na,« sagten die Tschuden, »wenn du ihn kennst und weißt, wo er zu finden ist, so führe uns zu ihm!«

»Das würde gefährlich sein,« sagte der Lappenkönig, »denn er hat viele Leute bei sich! Aber das ist einerlei; was gebt ihr mir, wenn ich ihn zu euch bringe?«

Um so besser, dachten die Tschuden und versprachen ihm Gold und Gut, wenn er den Lappenkönig ihrer Gewalt überliefern würde. Es wurde nun mit den Tschuden die bestimmte Abrede getroffen, daß sie auf einem See, der sich in der Nähe befand,[201] zusammentreffen sollten. Es war aber Winter und der See war mit blankem Eise bedeckt.

»Wenn ihr nun,« sagte der König, »den Lappenkönig mit seinen Leuten auf der anderen Seite des Sees ans Ufer kommen seht, so könnt ihr von dieser Seite kommen und trefft dann mitten auf dem Eise zusammen.«

So zog denn der König seines Weges und die Tschuden schlugen auf dem Platze, wo sie sich befanden ihr Lager auf, um die Ankunft des Lappenkönigs abzuwarten. Der König aber eilte zu seinen Zelten, sammelte seine Leute und hieß sie alle ihre »Skalkomagar« anziehen – es ist das eine Art lappischer Schuhe, an denen die haarige Seite nach auswärts gekehrt ist; mit diesen Schuhen liefen sie nicht Gefahr auszugleiten und konnten schneller auf dem Glatteise laufen als die Tschuden, welche gewöhnliche Schuhe trugen; ebenso befahl er ihnen, sich lange Knüppel zuzuhauen, um sich zu vertheidigen. Endlich wählte er sich einen langen Baumstamm, dem er die Zweige abstutzen und die Rinde abschälen ließ. So brachen sie denn mit den Knüppeln und dem langen Baumstamm auf, um den Feinden entgegen zu ziehen.

Als der Lappenkönig mit seinen Leuten an das Ufer des Sees kam, wo die Tschuden bereits warteten, begaben diese sich sogleich von der entgegengesetzten Seite auf das Eis hinaus.

Als sie sich aber der Seite näherten, wo noch der Lappenkönig mit seinen Leuten stand, rollten diese plötzlich den Baumstamm mit großer Schnelligkeit auf das Glatteis hinaus, und zwar gerade gegen die Füße der Tschuden. Die Tschuden purzelten in Folge dessen übereinander und der König und seine Leute fielen rasch mit ihren Knüppeln über dieselben her. Einige Tschuden versuchten wohl an das Ufer zu entfliehen, aber die Lappen rollten ihnen den Baumstamm nach, so daß sie wieder übereinander purzelten, und schlugen sie hierauf mit ihren Knüppeln todt.

Auf diese Weise vernichtete der Lappenkönig damals einen Trupp Tschuden.

Quelle:
Poestion, J. C.: Lappländische Märchen, Volkssagen, Räthsel und Sprichwörter. Wien: Verlag von Carl Gerolds Sohn, 1886, S. 200-202.
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