Vom Häuslerssohne, der einen sehr reichen Herrn dran kriegte.

[25] Ein Mann, der nur ein kleines Haus und einen halben Morgen Feld besaß, hatte einen Sohn, den that er aus in die Lehre und ließ ihn gut unterrichten. Als später der Sohn wieder nach Hause kam, verschrieb ihm der Vater das Häuschen mit dem Lande. Dem aber sagte es nicht zu in dem Häuschen zu sein und er verkaufte es und kaufte sich für das Geld feine Kleider, Wagen und Pferde und mietete einen Kutscher und fuhr in fremde Lande, um eine Frau zu suchen.

Da kam er zu einem sehr reichen Herrn, der Töchter hatte und der ihm eine versprach. Als ihm der Herr die Tochter zugesagt, führte er seinen Schwiegersohn herum, um ihm sein ganzes Besitztum zu zeigen. Als sie in die Brennerei kamen, sagte der Herr ›Schwiegersohn, das sind Keßel!‹ Der Schwiegersohn sagte »Das ist noch nichts gegen meine.« Der Herr dachte ›Meine sind groß, und wenn seine noch größer sind, was müßen das für Keßel sein!‹ Da gieng der Herr zu dem Kutscher hin und fragte ihn ›Kutscher, sind eures Herrn Keßel in der Brennerei groß?‹ Der Kutscher sagte »Ich gieng einmal in die Brennerei, um eine Pfeife Tabak anzuzünden, da sah ich, daß fünf Männer im Kahne drin herum fuhren und sich Käse schmecken ließen.« Dann führte der Herr seinen Schwiegersohn in den Pflanzgarten, um den Kohl zu beschauen, und sagte ›Schwiegersohn, das ist großer Kohl.‹ Der Schwiegersohn sagte »Das ist noch nichts gegen meinen.« Der Herr fragte wieder den Kutscher, der sagte ›Ich[25] weiß nicht viel davon; aber einst gieng ich, um für die Pferde Grünfutter zu hauen, da fieng es an zu tröpfeln und fünfzig Männer stunden unter einem Kohlblatte und fanden da Schutz gegen den Regen.‹ Dann führte der Herr den Schwiegersohn aufs Feld, um sich auch das anzusehen; der Herr hatte aber sehr große Erbsen, da sagte er ›Schwiegersohn, das sind Erbsen!‹ Der Schwiegersohn sagte »Das ist noch nichts gegen meine.« Als sie drauf nach Hause kamen, gieng der Herr wieder den Kutscher fragen, ob seine Erbsen groß seien. Der Kutscher sagte ›Einst führte ich die Pferde in die Schwemme, da sah ich, daß in eine halbe Schote unserer Erbsen fünf Mann sich einsetzten und auf dem Waßer fuhren.‹

Als nun die Hochzeit vorüber war, entließ der Herr seine Tochter mit allen ihren Brautschätzen und mit all ihrem Gelde. Wie sie so fuhren, da wurde ihr das Fahren zu lang, und als sie an einem Gehöfte vorbei fuhren, da fragte sie ihn ›Ist das dein Hof?‹ »Ei, was da, was ist das gegen meinen; auch den werden wir noch erreichen.« Endlich kamen sie an das Häuschen. Da stieg er vor dem Häuschen aus und sagte »Das ist es; einst gehörte es mir, aber jetzt gehört mir auch das nicht.« Da erschrak sie, fiel rücklings zum Wagen heraus und brach das Genick. Da bestattete er sie, kaufte sich einen Hof für ihr Geld und nahm sich eine andere Frau und ward auf diese Weise ein großer Herr.

Quelle:
Schleicher, August: Litauische Märchen, Sprichworte, Rätsel und Lieder. Weimar: Böhlau, 1857, S. 25-26.
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