Vom alten Weibe, das schlauer war als der Teufel.

[50] In einem Dorfe lebte ein junger Landwirt, der hatte eine schöne junge Frau genommen, und beide vertrugen sich so gut, daß nie eins dem andern auch nur ein böses Wörtchen sagte; sie sprachen stets liebreich mit einander und küssten sich in einem fort. Da besuchte einmal der Teufel, als er herum reiste, auch dieses junge Paar. Er wunderte sich nicht wenig über diese außerordentliche Eintracht und versuchte sie zu stören; aber es gelang ihm nicht, er mochte es anfangen wie er wollte. Als er eine Zeit lang Versuche aller Art angestellt hatte, stund er fürchterlich erzürnt davon ab, und gieng ausspuckend seines Weges.[50]

Indem er so gieng, begegnete er einem alten Weibe, das betteln gieng, die fragte ihn ›Vetter, warum spuckst du so aus?‹ Der Teufel antwortete wütend »Ach, was fragst du denn, du wirst mir ja doch nicht helfen können.« ›Warum nicht (versetzte die Alte); weist du denn nicht, daß wir alten Weiber viel wißen und verstehen; sag mir nur, was dir fehlt, vielleicht kann ich auch dir helfen, wie ich schon vielen geholfen habe.‹ Der Teufel dachte ›Halt! die Alte könnte vielleicht wirklich so schlau sein,‹ und er erzählte ihr seine ganze Not und sprach »Denke dir nur, ich hockte fast ein halbes Jahr in dem Dorfe da bei den Neuvermählten, die so wunderbar einig sind, und wollte sie irgend wie auf einander hetzen. Aber ich vermochte es nicht und genug, wie sollte ich da nicht in Zorn geraten, da ich so viel Zeit verloren und nichts ausgerichtet habe.« Die Alte erwiderte ihm ›Das ist für mich nur ein kleiner Spas, die Ehre will ich dir erweisen.‹ Der Teufel freute sich sehr darüber und fragte sie, was er ihr dann geben solle. Die Alte sagte »Ich will weiter nichts als nur ein Paar neue Bastschuhe und ein Paar Salzburger1 Schuhe.« Der Teufel versprach ihr das in schöner und starker Arbeit zu geben.

Als sie diese Abrede getroffen, trennten sie sich, und das Weib rief im Weggehen dem Teufel noch zu, er solle nicht zu weit reisen, denn sie werde noch heute unternehmen etwas auszurichten.

Da gieng sie in das Dorf zu der jungen Frau hin, die gerade allein zu Hause war, während der Mann auf dem Felde pflügte. Die Alte gieng ins Zimmer und bat zuerst um ein Almosen, und als sie das erhalten, begann sie von allerhand in einschmeichelnder Weise zu plaudern. »Ach, mein liebes Herzchen, wie bist du doch schön und wolansehnlich; dein Männchen kann freilich von Herzen seine Freude an dir haben. Ich weiß gar wol, daß ihr beide in der schönsten Einigkeit mit einander lebt wie niemand in der ganzen Welt. Aber, mein Hühnchen, mein Töchterchen, ich will dich unterweisen, daß ihr beide noch einiger sein und euch in eurem ganzen Leben auch nicht ein böses Wörtchen sagen sollt.« Die junge Frau freute sich und bat die Alte, sie sollte ihr doch die Belehrung erteilen, sie werde sie ja schön beschenken. Die Alte sagte »Auf dem Kopfe deines Mannes, nicht weit vom Wirbel, ist ein graues Haar, das must du ihm, aber ohne[51] daß er es weiß, dicht am Kopfe abschneiden; dann werdet ihr euer ganzes Leben hindurch nicht nur in solcher, sondern in noch größerer Liebe leben.« Die junge Frau dachte das sei wahr und fragte die Alte, wie sie das thun könne ohne daß ihr Mann es wiße. Jene sagte »Wenn du deinem Männchen das Mittagseßen bringst, so sage zu ihm, er solle seinen Kopf auf deine Knie legen und Mittagsschläfchen halten, und wenn er eingeschlafen sein wird so nimm das Scheermeßer aus der Tasche und schneid das graue Haar ab.« Alles das sagte der jungen Frau sehr gut zu, und sie entließ die Alte, nachdem sie sie aufs beste beschenkt und ihr gedankt hatte.

Die Alte gieng nun von ihr zum Manne aufs Feld wo er pflügte. »Guten Tag, guten Tag, mein Küchlein, guten Tag!« ›Danke, danke, liebe Alte!‹ Als sie sich so begrüßt hatten, bat die Alte, er möge doch ein wenig stehen bleiben, vielleicht müsten auch die Öchslein ein wenig ausschnaufen; da hielt er auch mit dem Pflügen an. ›Und was willst du denn, liebe Alte?‹ Sie sagte »Ach, mein liebes Bürschchen, mein Herzchen, ich kann dirs kaum sagen, so bin ich erschrocken,« und damit fieng sie an entsetzlich zu schreien und zu weinen. Der Mann sagte ›Aber was ist dir denn, sags doch nur!‹ Da sagte die Alte unter lautem Weinen »Du und dein Frauchen, ihr vertragt euch, ich weiß es, gar schön mit einander, aber, ach Gott behüte! sie will dich todt machen und einen andern heiraten, der viel reicher ist als du; eben war ich bei ihr und habe den ganzen Greuel gesehen und erfahren.« Der Mann erschrak ob der Rede und fragte die Alte, ob sie nicht wiße, wann und wie sein Weib das thun wolle. Die Alte sagte »Heute Mittag, wenn sie das Eßen bringen wird, wird sie ein Scheermeßer in ihrer Tasche haben; da wird sie zu dir sagen du sollest nach dem Eßen den Kopf auf ihren Schoß legen und dein Mittagsschläfchen halten, und wenn du eingeschlafen sein wirst, so wird sie dir den Kopf abschneiden.« Der Mann dankte ihr schön für diese Mitteilung und versprach ihr, sie ein andres Mal bestens zu beschenken. Die Alte gieng nun weiter bis zu einem Kornfelde, um da im Verborgenen zu zu sehen, wie die zwei Leute sich Mittags entzweien werden.

Als nun die Mittagszeit heran kam, da versah sich die Frau mit ihres Mannes Scheermeßer und steckte es in ihre Tasche. Der Mann aber harrte in großer Unruhe der Mittagsstunde, um zu erfahren, ob denn das alles auch wahr sei, was ihm die Alte gesagt habe. Als sie gekommen, umarmten und küssten sie sich, wie sie es zu thun gewohnt[52] waren, und er setzte sich zu seinem Eßen. Als er gegeßen hatte, sagte sie zu ihm »Komm her, leg dein Köpfchen auf meinen Schoß und halt dein Mittagsschläfchen, du wirst schon müde geworden sein.« Er that das auch und stellte sich nach einer Weile als ob er schlafe, denn er merkte schon, daß ihm die Alte keine Unwahrheit gesagt habe.

Als sie dachte, er schlafe, zog sie leise das Scheermeßer aus ihrer Tasche, um ihm das graue Haar abzuscheeren. Er aber merkte das, weil er nicht schlief, sprang wie ein Blitz auf und ergriff sie beim Kopfe; das Kopftuch riß er herunter, faßte sie in den Haaren und riß und schlug sie fürchterlich: ›Du Unmensch, du Mörderin, du Bestie, du Todtschlägerin; also deswegen hast du dich gut gegen mich gestellt und gethan als ob du mich gerne habest, um mich desto eher ums Leben bringen zu können! Ich will dirs jetzt zeigen und dir eine Lehre geben, daß dir der teuflische Greuel nicht mehr in den Sinn kommen soll.‹ Sie flehte was sie nur konnte, aber es half alles nichts; er mishandelte sie so viel nur seine Kräfte vermochten, bis er ganz ermüdet war.

Der Teufel, der nicht weit davon auf einem Stein gekauert lauerte, sah dies arge Prügeln, schlug in die Hände und lachte hell auf; aber dann grauste ihm selbst vor der Schändlichkeit, und er empfand Abscheu vor der Heimtücke der Alten und dachte bei sich ›Schau nur, das alte Weib ist schlimmer als ich. Die Menschen geben bei allem Schlimmen und in jeder Not immer dem Teufel die Schuld, und siehe da, wie richten doch solche alte Weiber viel mehr und schlimmeres Unheil an.‹ Die versprochenen Bastsohlen und Schuhe gab er ihr; aber er hatte eine ungeheuer lange Stange bei sich, an deren Ende steckte er die Schuhe, hielt sie der Alten hin und sagte ›Ich kann nicht in deine Nähe kommen, du könntest sonst auch mich behexen und überlisten, du bist ja schlimmer und verschmitzter als ich.‹ Und als jene die Sachen genommen hatte, warf er die Stange weg und lief schnell wie ein Schuß davon. Das alte Weib aber gieng seines Weges, voll Freude darüber, daß sie schlauer gewesen als der Teufel, und daß er aus Furcht vor ihr davon gelaufen war.

1

d.h. solcher Schuhe, wie sie durch die eingewanderten Salzburger den Litauern bekannt wurden; keine Bastschuhe, sondern lederne Schuhe.

Quelle:
Schleicher, August: Litauische Märchen, Sprichworte, Rätsel und Lieder. Weimar: Böhlau, 1857, S. 53.
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