[470] 994. Die Hexe von Medernach.

Vor achtzig Jahren lebte zu Medernach eine Frau, welche für eine ausgemachte Hexe galt. Wenn jemand ihr etwas zuleide tat, ihr ein Huhn oder sonst ein Tierchen tötete, so sagte sie allemal: »Mir ein Huhn, dir einen Ochsen oder eine Kuh.« Und dann fand an einem frühen Morgen der Bedrohte eines seiner Haustiere tot im Stalle liegen. Ihr Sohn selbst sagte, seine Mutter sei eine Hexe. Dieser mußte einst nach Diekirch gehen zur Milizziehung. Da sagte er zu denen, die bei ihm waren: »Jungen, fürchtet euch nicht; heute nacht wird meine Mutter (denn sie ist eine Hexe) zu mir ans Bett kommen, um zu erfahren, ob ich mich losgezogen habe, denn sie kann nicht warten, bis ich wieder heimkomme.« Und wirklich erschien sie an seinem Bette, obgleich die Kameraden die Türe gut verschlossen hatten.

Gab diese Frau jemand etwas, so warf man einen Teil davon weg, dann hatte die Hexe keine Gewalt über einen.

Als sie zum Sterben kam, wollte sie nicht beichten; sie sagte, die Bäume im Walde wachsen auch und beichten nicht. Der Priester von Medernach ging, da all sein Zureden und Bitten nichts half, mit der hl. Monstranz ans Krankenbett. Sie aber schlug mit der Hand in dieselbe und starb gleich darauf, ohne sich bekehrt zu haben. Sie wurde auf die ungeweihte Stelle des Kirchhofs begraben.

Quelle:
Gredt, Nikolaus: Sagenschatz des Luxemburger Landes 1. Neudruck Esch-Alzette: Kremer-Muller & Cie, 1963, S. 470.
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