[134] 314. Die nackten Ritter von Himmlingen.

Wenn man von Greisch durch die Leesbach nach Tüntingen geht, sieht man etwa sechs Minuten von Greisch links auf einer kleinen Anhöhe die Überbleibsel einer Einsiedelei, welche in einen Felsen eingehauen war. Hier lebte vor etlichen Jahrhunderten[134] ein frommer Einsiedler, der ein wahrer Tröster und Helfer in allen leiblichen und geistigen Nöten der Umgegend war.

Auf dem halben Wege von Tüntingen nach Hohlfels liegen einige Minuten rechtsab vom Wege die Reste einer Burg, die ehedem den Herren von Himmlingen gehörte. Diese waren aber böse und raubsüchtige Ritter und der Schrecken der Nachbarschaft. Der fromme Einsiedler war ihnen ein Dorn im Auge, weil er den Leuten Mut und Trost einflößte, ihnen selbst aber Unglück und ein trauriges Ende vorhersagte. Sie beunruhigten ihn nächtlich mit allerlei Spuk. Da aber dies den gottesfürchtigen Mann nicht verscheuchte, entschlossen sie sich, denselben zu ermorden. In einer finsteren und schwülen Sommernacht führten sie ihren schwarzen Plan aus. Sie schleppten den Einsiedler aus seiner Höhle etliche Dutzend Schritte abwärts ins Tal und erschlugen ihn dort. Gott strafte die Greueltat auf der Stelle. Ein fürchterliches Gewitter brach plötzlich aus, ein Blitzstrahl erschlug die drei Mörder und verbrannte sie zu Asche. Des Einsiedlers Leichnam, sowie der Hund, den die Ritter mitgebracht, blieben unversehrt.

Der Schauplatz dieses Mordes ist von der Zeit an ein unheimlicher Ort geworden. Nächtlich vernimmt man dort zuerst wie das Stöhnen eines Sterbenden, dann ein verworrenes Gemurmel, dann ein Gebrüll von mehreren Stimmen, zuletzt ein furchtbares Donnergetöse. Darauf sieht man die Mörder als nackte Ritter mit Blitzesschnelle ihrem Schlosse zurennen. Ihren Hund, der aber friedlicher Gesinnung ist und keinem etwas zuleide tut, lassen sie zurück.

Im Jahre 1703 kam einst der Kaplan von Greisch, ein wenig benebelt, da vorüber. Als er den Hund da liegen sah, stieß er ihn mit dem Fuße, indem er sagte: »Was machst du hier liegen, häßlicher Kerl!« Da richtete sich der Hund auf, streckte sich und folgte dem Kaplan, der bei jedem Schritt einen Streich auf den Rücken erhielt, bis er seine Wohnung erreicht hatte.


Manuskript von P. Bies, Pfarrer

Quelle:
Gredt, Nikolaus: Sagenschatz des Luxemburger Landes 1. Neudruck Esch-Alzette: Kremer-Muller & Cie, 1963, S. 134-135.
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