[256] 609. Das weiße Roß zu Esch an der Alzet.

Zur Herbstzeit trieben die Bauern von Esch an der Alzet, wie dies früher überall und heute noch an manchen Orten üblich ist, die Pferde in die Wiesen auf die Nachtweide. Eines Abends nun sollte ein Bauer des Ortes Birnen mahlen, um »Vîz« zu bereiten. Da er bei dieser Arbeit einer kräftigen Hilfe bedurfte, behielt er den Knecht zu Hause und schickte statt desselben seine Tochter mit den Pferden auf die Nachtweide. Sobald es vollständig Nacht geworden, erblickte das Mädchen unter seinen Pferden einen fremden Schimmel, der später ebenso unbemerkt verschwand, wie er gekommen war. Da der schöne Schimmel sich auch an den folgenden Abenden einstellte, nahm sich der Knecht, ein resoluter Bursche, vor, denselben einzufangen. Sobald der Schimmel sich tags darauf zeigte, schwang sich der Knecht behend auf dessen Rücken, um ihn nach Hause zu reiten. Doch was geschah? Mit jedem Schritte wurde das lammfromme Roß um ein Bedeutendes höher und bereits hatte es die Höhe eines ansehnlichen Hauses erreicht. Da wurde es doch dem Knecht so gruselig bei dem Gedanken, der seltsame Schimmel könne mit ihm bis in den Mond hineinwachsen, daß er nichts Eiligeres zu tun hatte, als sich heruntergleiten zu lassen. Als er sich wieder vom Boden erhob, war der Schimmel verschwunden.


Lehrer Konert

Quelle:
Gredt, Nikolaus: Sagenschatz des Luxemburger Landes 1. Neudruck Esch-Alzette: Kremer-Muller & Cie, 1963, S. 256.
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