421.

[94] Es war einmal ein Junge, der Dschahan hieß, und der sagte zu seiner Mutter: »Gib mir einen Centime.« Sie antwortete: »Wozu?« »Damit ich mir Bohnen kaufe.« »Bohnen haben Schalen.« »Dann werde ich mir Nüsse kaufen.« »Die haben auch Schalen.« »Dann werde ich mir Erbsen kaufen.« »Gut,« sagte die Mutter und gab ihrem Dschahan drei Centimes; und er ging hin und kaufte sich Erbsen.

Nun aß er darauf los, bis er nur noch eine Erbse hatte. Diese gab er, da er noch keine Messe gehört hatte, einer Frau und bat sie: »Heb sie mir auf; ich will zur Messe gehn.« Die Frau antwortete: »Leg sie nur auf den Sims.« Aber ein Huhn fraß die Erbse, und als Dschahan zurückkam und sagte: »Ich komme um die Erbse«, antwortete die Frau: »Deine Erbse hat die Henne gefressen.« Da begann Dschahan zu schreien: »Entweder die Erbse oder die Henne!« Und die Frau sagte: »Nimm die Henne«, und gab sie ihm.

Wieder hörte Dschahan zur Messe läuten; er sah eine alte Großmutter, die spann, und zu der sagte er: »Großmutter, erlaube, daß ich die Henne dalasse; ich werde sie bald wieder abholen.« Als dann die Messe zu Ende war, wollte er sie abholen, aber die Frau sagte zu ihm: »Geh[94] dorthin zu den Truthühnern; dort ist sie.« Dschahan schrie: »Aber sie ist ja tot! Die Truthenne hat sie getötet!« Und weiter schrie er: »Entweder die Henne oder die Truthenne!« Da gab ihm die alte Frau die Truthenne.

Wieder hörte Dschahan zur Messe läuten; er sah unter einer Haustür eine Frau, und zu der sagte er: »Darf ich die Truthenne dalassen?« Die Frau antwortete: »Geh und laß sie bei den Schweinen.« Als er dann von der Messe zurückkam, wollte er die Truthenne wieder haben, aber die Frau sagte zu ihm: »Die Sau hat sie dir getötet.« Da begann er zu schreien: »Mir ist alles einerlei! entweder die Truthenne oder die Sau!« Und die Frau gab ihm die Sau.

Wieder hörte Dschahan zur Messe läuten, und als er eine Frau unter ihrer Haustür sah, sagte er zu ihr: »Darf ich die Sau für einen Augenblick dalassen?« Die Frau sagte: »Steck sie zur Stute.« Als er dann von der Messe zurückkam und zu der Frau sagte: »Gib mir meine Sau«, antwortete sie ihm: »Die hat die Stute getötet.« Da sagte Dschahan: »Das ist mir einerlei! entweder die Sau oder die Stute!« Und die Frau sagte zu ihm: »Nimm dir die Stute.«

Dschahan ging zu einer andern Frau und bat sie: »Laß mich die Stute dalassen.« Die Frau sagte: »Ja; laß sie da.« Nun mistete die Stute auf den Boden; die Frau hatte aber eine junge Tochter und die sagte zu ihr: »Was hast du denn da hereingebracht?«, und begann mit ihr zu zanken, weil sie den Boden eben gewaschen hatte. Und da sie ihn so beschmutzt sah, nahm sie eine Stange und begann die Stute zu prügeln, bis sie[95] tot war. Da kam Dschahan um seine Stute und fragte: »Wo ist sie?« Die Frau antwortete: »Das Mädchen hat sie getötet.« Und die Frau schenkte ihm die Tochter und Dschahan steckte sie in einen Sack und ging damit weg.

Wieder hörte er zur Messe läuten; er sah eine alte Großmutter und zu der sagte er: »Erlaube mir, daß ich den Sack für ein wenig dalasse.« Die Alte antwortete: »Leg ihn auf den Sims da«, und Dschahan legte ihn hin. Da aber die Alte sah, daß sich der Sack bewegte, öffnete sie ihn; und sie fand das Mädchen darinnen. Sie nahm es und versteckte es, und den Sack füllte sie mit Scherben. Und damit ist die Geschichte aus.

Quelle:
Wesselski, Albert (ed.): Der Hodscha Nasreddin. Bd. 2. Weimar: Alexander Duncker, 1911, S. 94-96.
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