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[98] Die Mutter Dschahans hatte ein mageres Schweinchen; Dschahan aber hatte großen Appetit auf Schweinfleisch und fragte beständig: »Mutter, wann schlachten wir denn eigentlich das Tier, das Borsten hat und grunzt?« Da antwortete die Mutter immer: »Sobald ihm das Fett vom Hintern tropft.« Da aber Dschahan dies nie sah, ärgerte er sich über das faule Tier; er ging[98] hin, kaufte Fett und bestrich das Schwein in einer Weise, daß das Fett hinten abtropfen mußte. Als er diese Arbeit verrichtet hatte, lief er hin zur Mutter und teilte ihr mit, daß das Fett anfange, hinten am Schweinchen abzutropfen. Die Mutter überzeugte sich davon und schlachtete das Tier. Dschahan fragte jetzt: »Mutter, wie wird das Fleisch nun zubereitet?« Die Mutter antwortete: »Im Acker stehen Kohlköpfe: auf jeden Kohlkopf eine Schnitte Fleisch.« Als nun Dschahan einmal allein im Hause war, nahm er den Steintopf, in dem das Fleisch eingesalzen lag, und trug ihn hinaus auf den Krautacker. Dort steckte er in jeden Kohlkopf eine Schnitte Fleisch und sah zu, wie die Hunde, Katzen und Feldmäuse davon fraßen. Den nächsten Tag wollte die Mutter von dem Schweinefleische kochen, konnte aber den Topf nicht finden. Als sie nun Dschahan befragte, antwortete dieser: »Ach, du hättest nur sehen sollen, wie sich die Hunde, die Katzen und die Mäuse satt gefressen haben! kein Schnittchen ist übrig geblieben; und jeder Krautkopf hat seine Fleischschnitte gehabt! Wie sie herumrasten, diese Fresser, wenn sie einander herumbissen!« Da rief die Mutter: »Also bist du wirklich ein Dschahan! Und darum müssen alle Leute sagen: ›Dumm ist Dschahan, ein Esel ist er, Verstand hat er keinen, ein Tropf ist er!‹«

Quelle:
Wesselski, Albert (ed.): Der Hodscha Nasreddin. Bd. 2. Weimar: Alexander Duncker, 1911, S. 98-99.
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