XXXVII. Der Mann und seine Schwester.

[93] Es war einmal eine Frau und ein Mann, – alte Leute. Und diese Frau sprach zum Manne: »Wir haben ein paar Schafe; geh' hin und weide sie!« Der Mann nahm die Schafe und zog mit ihnen aus und begab sich mit ihnen auf ein Feld, wo er sie zu[93] weiden begann. Während sie das Gras abfrassen, kam der Herr des Feldes herbei, der zu dem Manne sprach: »Was machst du hier? Schämst du dich nicht in dein Gesicht hinein?« Damit gab er ihm einen Fausthieb ins Gesicht, und nun begannen sie zusammen zu ringen. Und der eine von ihnen (d.h. der Mann mit den Schafen) zog ein Messer und tötete den anderen. Dann kehrte er nach Hause zurück.

Seine Schwester sah, dass er ganz mit Blut bespritzt war, und fragte ihn: »Was ist dir geschehen?« Er sagte ihr nichts. Und als sie ihn immer drängte, es ihr doch zu sagen, was ihm geschehen sei, sprach er zu ihr: »Mir ist gar nichts geschehen!« Darauf sprach sie zu ihm: »Du hast einen Mann getötet!« Der Bruder sprach hierauf: »Es ist jetzt nicht die Zeit dazu, dass ich es dir erzähle, denn dort hinter der Türe steht der Polizist und horcht!« Am nächsten Tage, als es Morgen geworden war, sprach die Schwester zum Bruder: »Sag' mir: hast du ihn getötet oder hast du ihn nicht getötet?« Der Gefragte versetzte: »Wir müssen einmal an das Meeresufer gehen (um uns ungestört aussprechen zu können)!« Als sie dahin gelangt waren und sie ihn wieder gefragt hatte, sagte er ihr: »Hier kann ich dir's sagen, denn hier ist niemand: ich habe ihn getötet und verscharrt.« Da sprach seine Schwester: »Du wirst in die Hölle kommen!«

Quelle:
Stumme, Hans: Maltesische Märchen. Gedichte und Rätsel in deutscher Übersetzung, Leipziger Semitistische Studien, Band 1, Heft 5, Leipzig: J.C. Hinrichsche Buchhandlung, 1904, S. 93-94.
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