47. Pelegrin von Lederdam.

[61] Oude Divisie-Cronycke van Hollant etc. Delft 1585. Fol. 124.


Gegen das Jahr 1305 lebte ein Herr von Lederdam, der Pelegrin hieß und ein ausnehmend böser Tyrann war. Dieser hatte dem Teufel seine Seele verschrieben und so lange sich von ihm Leben und Glück ausbedungen, als er mit seinem Pferde nicht über laufendes Wasser setze; wenn dieß geschähe, dann versprach er dem Satan eigen und ewig verdammt sein zu wollen. Damit meinte Herr Pelegrin den Teufel ums Licht zu führen, denn er befahl nun seinen Knechten, daß sie nimmermehr mit Pferden über laufendes Wasser setzen sollten. Und also lebte er ganz nach seinem Wunsche in Wollust und Uebermuth und befleckte seine Seele mit vielen bösen und schändlichen Werken. Die heilige Kirche verschmähte er nicht nur, sondern er beraubte sie auch, wo er nur konnte und mochte. Und als er dieses schändliche Leben lange durch die Barmherzigkeit Gottes fortgesetzt hatte, und, obgleich schon alt an Jahren, dennoch sich nicht besserte, so geschah es im Jahre 1305 auf den Tag Mariä Himmelfahrt, daß er mit vielen Gewappneten, die alle in Bosheit ihm gleich waren, auszog in das Stift Utrecht, wo er Häuser und Dörfer verbrannte und die armen Landleute beraubte und gefangen nahm. Als er aber nach diesen Schandthaten wieder in Freuden nach Hause ziehen wollte, da folgten ihm seine Gegner, um ihre Gefangenen zu befreien und den Schaden, den er dem Lande zugefügt hatte, zu rächen. Gedrängt von der Uebermacht, wandte er sich schnell nach Bozichom und stieg dort in ein Schiff, um über die Lecke zu fahren; doch hatte er kaum den Fuß in das Fahrzeug gesetzt, als ein gräuliches schwarzes Pferd gesprungen und gelaufen kam, welches also schrecklich[62] schrie, daß alle mit Furcht und Schrecken erfüllt wurden. Dieß schwang sich mit Einem Satze in das Schiff und beschwerte dasselbe also, daß es gleich einem Steine untersank und Pelegrin mit all seinen Gesellen ertrank.

Seit der Zeit wurde es auf dem Schlosse Lederdam also unleidlich, daß kein Mensch mehr wagte, demselben zu nahen. Stets hörte man daselbst eine Menge grimmiger höllischer Stimmen, man sah feurige Flammen, und es war ein so fürchterlicher Gestank, daß man unsinnig und rasend davon wurde und alle Kraft einem aus den Gliedern wich. Nichts desto weniger wagten es einmal zwei junge Gesellen, an einem Mittage dahin zu gehen, um zu untersuchen, was dieß sein möge. Nachdem sie in dem verfallenen Schlosse rund herum gegangen waren, kamen sie zuletzt an einen alten, wüsten Keller. Als der eine ein wenig darin verweilt hatte, wurde er ängstlich und kam wieder heraus, worauf der andere hinabstieg, aber bald dermaßen festgehalten wurde, als wäre er mit Ketten gebunden. Da schrie er nun mit gräßlicher Stimme, doch sein Mitgesell konnte ihm nicht helfen und tröstete ihn damit, daß er zu einem Priester gehen und den mit dem heiligen Sacramente herbescheiden wolle. Während dieser aber auf dem Wege war, vernahm der Festgebannte mannichfache furchtbare Stimmen, welche Gott so sehr lästerten, daß der arme Geselle darob fast rasend wurde. Dieß dauerte also lange, bis der Priester kam mit vielen Einwohnern von Lederdam; da hörte man nur eine Stimme, welche schimpfte und spottete und unter andern sprach: »Hätte der Schöpfer aller Dinge dich nicht beschirmt, ich hätte dich dem Staube in der Sonne gleich zermalmt.« Darauf fühlte er seine Füße los, aber ehe er aus dem Keller kam, erhielt er so viele Schläge und krähete es um ihn so gräulich, daß er fast ohnmächtig zusammen sank. Nachdem er in etwa zu sich gekommen[63] war, erzählte er dem Priester und allen Umstehenden, was er gehört und gesehen hatte, und dankte Gott, daß er ihn beschützt hatte.

Dieses Unwesen hat aber auf dem Schlosse so lange gedauert, bis Priester und Volk in Procession mit dem heiligen Sacramente dahin gezogen sind und alles mit Weihewasser zu wiederholten Malen besprengt wurde.

Quelle:
Wolf, Johann Wilhelm: Niederländische Sagen. Leipzig: Brockhaus, 1843, S. 61-64.
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