[64] 48. Wie die Predigerherren zuerst nach Utrecht kamen.

De Chronyck van Holland van den Klerk uit de laage Landen etc. S. 122. Außerdem in den meisten andern holländischen Chroniken. So auch Beka (l.) 79 (d.) 143.


Zu den Zeiten König Wilhelms wohnte ein Meister in der Stadt Cöln, mit Namen Albert von Regensburg, und der war ein Bischof und in dem Orden der Predigerherren, und hatte große Kenntniß von der Nigromantie, noch größere von der Philosophie und die allergrößte von der Theologie oder Gottesgelehrtheit. Dieser Meister bat den König demüthig, am Christtage bei ihm sein Mittagmahl zu nehmen, und der König nahm das auch an, denn er hoffte bei dem weisen Meister wunderbare Dinge zu schauen. Als die Hochmesse geendet war, ging der König ins Kloster und wurde mit seinem ganzen Gefolge von Bischof Albert durch die Säle in den Hof geführt, an dessen Ende viele Bäume standen. Diejenigen, welche mit dem Könige gekommen waren, flüsterten einander verwundert zu, was der Meister wohl vorhaben möge, daß er den König bei also kaltem Wetter und Frost in einen Baumgarten führe, um dort zu essen. Auch schaute man auf dem Hofe keine Vorrichtungen zu einem Mittagmahle; im Gegentheil, der ganze Boden[64] war hoch mit Schnee bedeckt. Als sie in den Baumgarten selbst traten, sahen sie viele Tische im Schnee stehen, die alle schön gedeckt waren, und rund herum standen Diener, welche alles zum Essen bereit hielten. Der König setzte sich nieder und die Uebrigen thaten desgleichen. Als sie nun saßen und der Speisen warteten, da verschwand mit einem Male der Schnee und es wurde sommerheiß; die Sonne ließ sich in aller Schöne blicken, aus der Erde wuchs grünes Gras, die Bäume begannen zu blühen und Blätter zu treiben und Früchte, die so reif wurden, daß man sie essen konnte. Auch der Weinstock blühte und gab süßen Duft und trug reife, schöne Trauben. Die Vögel entfalteten ihre Flügel und sangen fröhliche Weisen, durch welche alle die Anwesenden höchlich entzückt wurden. Kurz gesagt, der Winter hatte sich in den Sommer verwandelt, und die Hitze wurde also übermäßig stark, daß alle, die da saßen, ihre Oberkleider ablegten und sich halb nackt machten, worauf sie unter den Schatten der Bäume gingen, um daselbst der Kühle in etwa zu genießen. Die Diener trugen fortwährend köstliche Speisen und Getränke zu, also daß die ganze Zahl der Anwesenden gesättigt wurde, worüber sowohl der König als sein Gefolge sich sehr verwunderten und erfreuten. Zu Ende aber, als alle wohl gegessen hatten und die Geräthe vor dem König weg genommen waren, verschwanden plötzlich die Diener, gleich einem Traume, der Vögel Sang verstummte, die Früchte auf den Bäumen verloren sich, die grünende Erde ward welk und dürr, der Schneehaufen kehrte wieder und die vorige Kälte mit ihm, so daß alle, die vorher ihre Kleider der großen Hitze wegen ausgezogen hatten, nun vor Frost bebend nach dem Saale und ans Feuer eilten. Und zuletzt, als der König scheiden wollte, bat der Meister, Bischof Albert, den König um Erlaubniß, auf einer[65] durch Schenkung oder Kauf zu erwerbenden Stelle in Utrecht ein Predigerherren-Kloster bauen zu dürfen, und diesen Zweck auch durch eine milde Gabe zu unterstützen, damit der Himmel das heilige deutsche Reich und ihn, den Herrscher desselben, segnen und noch lange in Frieden erhalten möge.

Als König Wilhelm später nach Utrecht kam, gedachte er der Bitte des weisen Meisters und kaufte selbst einen Ort an und gab reichliche Beiträge zum Baue eines Klosters für die Predigerherren daselbst.

Quelle:
Wolf, Johann Wilhelm: Niederländische Sagen. Leipzig: Brockhaus, 1843, S. 64-66.
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