89. Das Gräfin-Hospital zu Lille.

[138] Les imposteurs insignes, par J.B. de Rocoles, historiogr. de France et de Brandebourg. Amsterd. 1683. p. 129.

Le livre de Baudoyn etc. ed. Serrure et Voisin. Brux. 1836. p. XVII u. 57.


Nachdem Graf Balduin durch den Galgen vom Leben zum Tode gebracht worden war, da begann die Gräfin Johanna von Flandern, seine leibliche Tochter, langsam zu zweifeln, ob der Mann, den sie hatte hinrichten lassen, und der kein anderer war, als Balduin, nicht ihr Vater gewesen sei. Denn in dem Augenblicke, wo man ihn zum Tode führte, hatte er vor männiglich erklärt, daß seine Tochter, die Gräfin, ein Mal trage an einem Theile ihres Körpers, den die Scham zu sehen verbiete, und welches nur ihm bekannt sei, seiner Frau und der Amme Johannas, anders könne kein Mensch davon Wissen haben, da die Amme schon seit langer Zeit todt sei. Diese Erklärung hatte die Gräfin sehr in Furcht gesetzt, ihren Vater getödtet zu haben, und deßhalb ließ sie, zur Sühnung seiner Manen, oder vielmehr[138] zur Sühne des Zornes Gottes, welcher ob dieses Vatermordes höchlich entbrannt sein mußte, viel Gebete halten für die Ruhe von Balduins Seele, wie das die Sitte jener Zeit war, und stiftete auch ein Hospital zu Lille, welches seitdem das Gräfin-Hospital benamt war. Da sieht man noch heutzutage die Wappen und Zeichen der Ursache, welche die Gründung desselben herbeiführte, nämlich einen Galgen, der überall, auf den Mauern, in den Fenstern, ja selbst auf den Bettgardinen, den Schüsseln, Tellern, Tischtüchern und Servietten eingezeichnet steht.

Quelle:
Wolf, Johann Wilhelm: Niederländische Sagen. Leipzig: Brockhaus, 1843, S. 138-139.
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