[668] 583. Speisen in Schlangen verwandelt.

Mündlich von Fr. C.


Zu Wachelen sah man noch vor zwanzig Jahren ein Schlößchen, worauf kein Mensch sich zu wohnen getraute; weil es so erschrecklich darauf spukte. Das schrieb sich aber von der folgenden Geschichte her.

Es mögen nun fünfzig bis siebenzig Jahre sein, da lebte in dem Schlößchen ein sehr reicher und höchst wollüstiger Herr, der all seine Zeit nur mit irdischen Dingen und sündhaftigem Treiben verschwendete und des Ewigen nimmer gedachte. Einst hatte er wieder mehre Tage nach einander dort getafelt und geschwelgt, und doch war ihm noch eine Menge der köstlichsten Speisen übergeblieben. Die hätte er nun wohl einem armen Menschen geben können, der daran seinen Hunger gestillt hätte; doch das that er nicht, sondern er schloß die Speisen in den Keller und zog gleich nachher mit seinen[668] Freunden und vielen schlechten Weibsbildern nach der Stadt. Da blieb er einige Tage und kehrte alsdann wieder nach dem Schlößchen zurück. Bald gedachte er der Speisen im Keller und stieg hinunter, um dieselben zu holen; aber kaum hatte er die Thüre des Kellers aufgemacht, als er sah, wie der ganze Boden von Schlangen wimmelte. Da faßte ihn fürchterliche Angst und er wollte entfliehen, aber die Schlangen krochen schnell auf ihn zu, umringelten ihn und sogen ihm das Blut aus, so daß er sein Leben elendig lassen mußte. Als seine Diener ihn nicht zurückkehren sahen, gingen sie ihm nach, doch eilten sie bald wieder zurück, als sie die Tausende von Schlangen sahen, die um seinen Leib ringelten. Seitdem stand das Schlößchen leer, und keiner der Umwohner hätte es für alle Schätze der Welt gewagt, dort eine Nacht zuzubringen. Später hat die Familie es abreißen lassen.

Quelle:
Wolf, Johann Wilhelm: Niederländische Sagen. Leipzig: Brockhaus, 1843, S. 668-669.
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