I

Die Landmaus und die Wassermaus auf der Reise1

Eine Landmaus und eine Wassermaus waren einst auf der Reise. Den Tag über gingen sie zusammen und theilten mit einander Leid und Freud; des Nachts jedoch trennten sie sich; denn die Landmaus wollte im Trocknen schlafen, die Wassermaus dagegen wollte es feucht haben. So geschah es denn, dass sie einmal spät zu einer Scheune gelangten, in welcher ein[293] Frauenzimmer schlief, und dieser kroch ohne Verzug die Landmaus hinten, die Wassermaus aber vorn in den Leib.

Als sie nun des Morgens wieder herauskamen, so schüttelte sich die Landmaus und rief aus: »Potz Blitz, was war das für ein Wetter heute Nacht! der Donner krachte Schlag auf Schlag, als ob die Wände einstürzen sollten! Und wie es da gar erst stank! nicht anders als ob der leibhaftige Teufel mit Schwefel und Pech losgewesen wäre!« – »Glaubst du denn, ich hatte es besser, wo ich war? sprach die Wassermaus und machte sich daran ihren Pelz zu waschen. Mitten in der Nacht' kam ein Herr herein, der zwar erst die Mütze abzog, dann aber in einem fort 'raus und 'rein fuhr und mir zu Leibe wollte; da er mich aber nicht erreichen konnte, so wurde er so rothsprenklich am Kopf wie ein Sommerlachs und am Ende so giftig, dass er mir geradezu ins Gesicht spuckte!« – »Ja den Teufel auch war das ein Herr! rief die Landmaus aus; das war bloss ein Bettler, der seinen Sack draussen gelassen hatte.«2[294]

Quelle:
[Asbjørnsen, P. C.:] Norwegische Märchen und Schwänke. In: Kryptádia 1 (1883), S. 293-332, S. 293-295.
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